Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unearthly. Dunkle Flammen (German Edition)

Unearthly. Dunkle Flammen (German Edition)

Titel: Unearthly. Dunkle Flammen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cynthia Hand
Vom Netzwerk:
spüre förmlich, wie Wellen der Anspannung in Angela aufsteigen. Gleich wird sie ausrasten. Ursprünglich wollte sie mir kleine Spickzettel geben. Vielleicht war das gar keine so schlechte Idee.
    «Euer Majestät?», kommt Mr Erikson zu Hilfe.
    Plötzlich weiß ich meine nächste Zeile wieder.
    «Seid guten Muts», sage ich schnell und kann meinen Blick noch immer nicht von Christian lösen. Wieder lächelt er, als wären wir gerade mitten in einer privaten Unterredung.
    «Ich weiß, ich habe nur den Körper eines schwachen, zerbrechlichen Weibes», deklamiere ich. «Doch ich habe das Herz und den Stolz eines Königs.»
    «Hört, hört!», sagt Angela, und ihre goldfarbenen Augen weiten sich hinter ihrer Brille. «Lang lebe die Königin!»
    «Lang lebe die Königin», wiederholt Mr Erikson, und dann stimmt die ganze Klasse mit ein.
    Jetzt muss ich lächeln. Angela, die erleichtert wirkt, dass ich meinen Part nun hinter mir habe, berichtet Einzelheiten aus Elisabeths Herrschaft. Jetzt muss ich nur noch dastehen und hübsch aussehen, wie sie es gesagt hat. Und versuchen, mein rasendes Herz zu beruhigen.
    «Natürlich richtete sich das Interesse aller in England lange Zeit auf die Suche nach dem geeigneten Gemahl für Elisabeth», erzählt Angela und sieht zu Mr Erikson hinüber, als wolle sie etwas beweisen. «Alle bezweifelten, dass sie in der Lage wäre, allein zu herrschen. Aber sie erwies sich als einer der besten und angesehensten Monarchen in der Geschichte. Sie läutete ein goldenes Zeitalter für England ein.»
    «Ja, aber starb sie nicht als Jungfrau?», fragt Tucker von ganz hinten.
    Angela wirkt kein bisschen aus der Ruhe gebracht. Stattdessen beginnt sie sofort mit ihrem Vortrag über die jungfräuliche Königin und über die Art, wie Elisabeth das Bild der Jungfrau nutzte, um ihrem Status als unverheiratete Frau mehr Attraktivität zu verleihen.
    Grinsend lehnt sich Tucker an die Wand.
    «Sir Tucker», sage ich plötzlich und unterbreche Angela.
    «Ja?»
    «Ich glaube, die korrekte Erwiderung ist ‹ja, Euer Majestät›», sage ich so hochmütig wie möglich. Ich kann es ihm doch nicht durchgehen lassen, dass er sich vor der gesamten Klasse über mich lustig macht, oder?
    «Ja, Euer Majestät», sagt er ironisch.
    «Nehmt Euch in Acht, Sir Tucker, dass Ihr Euch nicht bald am Pranger wiederfindet.»
    Er schnaubt verächtlich und sieht zu Mr Erikson. «Das kann sie doch nicht machen, oder? Sie hat nicht das Sagen in dieser Klasse. Das hat Brady.»
    «Heute ist sie die Königin», erwidert Mr Erikson und lehnt sich zurück. «Ich an Ihrer Stelle würde den Mund halten.»
    «Du könntest ihm seinen Titel nehmen», schlägt Brady vor, dem es offenbar gar nichts ausmacht, dass ich ihm seinen Thron streitig mache. «Mach ihn zum Leibeigenen.»
    «O ja», meint Christian. «Mach ihn zum Leibeigenen. Leibeigener sein ist Mist.»
    Als Leibeigener ist der arme Christian in unserem Kurs bereits mehrmals gestorben. Abgesehen davon, dass ihn am ersten Tag der schwarze Tod ereilte, ist er verhungert, bekam wegen des Diebstahls eines Brotes die Hände abgehackt und wurde von seinem Herrn einfach so zum Spaß über den Haufen geritten. Inzwischen ist er so etwas wie Christian der Fünfte.
    «Oder wollen Sie ihn gleich ganz loswerden? Lassen Sie ihn in den Tower werfen. Ihn vierteilen. Ihn aufs Rad flechten. Oder ihm einen Einlauf mit rot glühendem Klistier verabreichen», sagt Mr Erikson lachend. Einen Lehrer, der statt der Todesstrafe ein Klistier vorschlägt, muss man einfach bewundern.
    «Vielleicht sollten wir darüber abstimmen», sage ich und werfe Tucker einen kühlen Blick zu, denn jetzt fällt mir ein, dass er mich als Hexe verbrennen lassen wollte. Rache ist süß.
    «Alle, die dafür sind, Tucker als Ketzer abzuurteilen, heben die Hand», sagt Angela schnell.
    Ich schaue mich in der Klasse um und zähle die erhobenen Hände. Alle sind für die Strafe. Außer Tucker, der mit verschränkten Armen hinten steht.
    «Dann also das Klistier», sage ich.
    «Ich werde es notieren», erklärt Mr Erikson fröhlich.
    «Nachdem das nun erledigt ist», meint Angela und wirft mir einen pikierten Blick zu, «lasst mich euch von der Niederlage der Armada Spaniens erzählen.»
    Triumphierend sehe ich Tucker an. Einer seiner Mundwinkel hebt sich zu einem angedeuteten Lächeln. Er nickt mir zu, als wolle er sagen: Touché.
    Punktgewinn: Clara.
    Gut gemacht.

    «Was war das denn?», zischt mir Angela zu, als wir nach dem

Weitere Kostenlose Bücher