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Unendlichkeit

Unendlichkeit

Titel: Unendlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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ist, desto besser. Gelingt es Ihnen, ihn ganz allein, fernab aller Hilfe, auf Resurgam zu erwischen, dann haben Sie Ihre Aufgabe zu meiner vollen Zufriedenheit erfüllt.« Die Mademoiselle hielt inne. Für sie war das offenbar alles von ungeheurer Wichtigkeit, und Khouri gab sich große Mühe, nichts zu vergessen, aber es klang ungefähr so einleuchtend wie die Beschwörungen in einem mittelalterlichen Heilkundebuch. »Auf keinen Fall darf er Resurgam verlassen. Merken Sie sich das gut, denn sobald ein Lichtschiff – auch dieses hier – um Resurgam in den Orbit geht, wird Sylveste versuchen, irgendwie an Bord zu kommen. Das muss unter allen Umständen verhindert werden.«
    »Ich habe verstanden«, sagte Khouri. »Ich soll ihn also unten töten. War das alles?«
    »Nicht ganz.« Der Geist zeigte ein dämonisches Lächeln, das Khouri bisher noch nicht gesehen hatte. Vielleicht hatte die Mademoiselle ihr mimisches Reservoir doch noch nicht ganz ausgeschöpft, sondern hob sich den einen oder anderen Gesichtsausdruck für Augenblicke wie diesen auf. »Natürlich verlange ich Beweise für seinen Tod. Das Implantat wird alles aufzeichnen, aber wenn Sie nach Yellowstone zurückkehren, brauche ich etwas Handfestes, was die Aufzeichnung bestätigt. Ich spreche von sterblichen Überresten und damit meine ich nicht nur Asche. Konservieren Sie im Vakuum, so viel Sie können. Die Überreste müssen gut verschlossen und vom Rest des Schiffes isoliert aufbewahrt werden. Sie können sie meinetwegen in Fels eingießen, aber ich will sie sehen. Ich brauche Beweise.«
    »Und dann?«
    »Dann, Ana Khouri, bekommen Sie Ihren Mann zurück.«
    Sylveste gönnte sich keine Atempause, bis er und Pascale die schwarze Mauer um die Amarantin-Stadt erreicht und passiert hatten und mehrere hundert Schritte in das Labyrinth in ihrem Innern vorgedrungen waren. Er wählte die Richtung so willkürlich wie nur möglich, ließ die Markierungen der Archäologen völlig außer Acht und vermied alles, was ihren Weg hätte nachvollziehbar machen können.
    »Nicht so schnell«, bat Pascale. »Am Ende verirren wir uns noch.«
    Sylveste legte ihr die Hand auf den Mund, obwohl er verstand, dass sie nur redete, um nicht über den Mord an ihrem Vater nachdenken zu müssen.
    »Wir müssen leise sein. Der Wahre Weg hat sicher Posten im Innern der Mauer aufgestellt, um Flüchtlinge aufzuhalten. Wir wollen sie doch nicht auf uns aufmerksam machen.«
    »Aber wir wissen nicht, wo wir sind«, flüsterte sie. »Dan, hier sind schon Menschen verhungert, weil sie den Weg nach draußen nicht mehr finden konnten.«
    Sylveste schob Pascale in ein enges Loch. Unten war die Finsternis noch dichter. Die Wände waren sehr glatt; hier gab es keine rutschsicheren Bodenbeläge. »Wir werden uns nicht verirren«, sagte er mit einer Ruhe, die er nicht empfand, »das ist das Einzige, was ich dir versprechen kann.« Er klopfte gegen seine Augen, obwohl es bereits viel zu dunkel war, als dass Pascale die Geste hätte würdigen können. Es ging ihm wie einem Sehenden unter Blinden. Er vergaß immer wieder, dass große Teile seiner nonverbalen Kommunikation einfach ins Leere gingen. »Ich kann jeden unserer Schritte zurückverfolgen. Die Wände reflektieren die Infrarotstrahlung unserer Körper recht gut. Wir sind hier sicherer als in der Stadt.«
    Sie keuchte hinter ihm her und sagte Minuten lang gar nichts. Schließlich murmelte sie: »Ich hoffe, dies ist nicht einer der seltenen Fälle, in denen du dich irrst. Das wäre kein glückverheißender Anfang für unsere Ehe, meinst du nicht auch?«
    Ihm war nicht nach Lachen zumute; das Gemetzel in der Halle stand ihm noch zu deutlich vor Augen. Aber er lachte trotzdem und dadurch verlor das ganze Elend an Realität. Das war auch gut so, denn wenn er es nüchtern betrachtete, waren Pascales Zweifel nur allzu berechtigt. Selbst wenn er den Weg aus dem Labyrinth genau kannte, nützte ihm das womöglich gar nichts, wenn die Wände zu glitschig waren, um hinaufzuklettern, oder wenn die Gerüchte stimmten und sich das Labyrinth immer wieder neu konfigurierte. Dann würden sie trotz seiner magischen Augen verhungern wie all die anderen armen Teufel, die vom markierten Weg abgewichen waren.
    Dem Tunnel folgend, der sich in sanften Windungen wie eine Made durch das Innere der Mauer bohrte, drangen sie tiefer in das Amarantin-Bauwerk vor. Panik war natürlich nicht weniger gefährlich als Orientierungslosigkeit. Aber es war nicht leicht, sich zur Ruhe

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