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Unendlichkeit

Unendlichkeit

Titel: Unendlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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zu zwingen.
    »Was meinst du, wie lange müssen wir hier bleiben?«
    »Einen Tag«, sagte Sylveste. »Wir warten, bis sie fort sind, dann gehen wir hinaus. Inzwischen ist sicher Verstärkung aus Cuvier eingetroffen.«
    »Und für wen arbeitet die?«
    Sylveste zwängte sich mit den Schultern durch eine Engstelle. Dahinter teilte sich der Tunnel in drei Gänge. Er warf im Geiste eine Münze und nahm den linken Ast. »Gute Frage«, sagte er so leise, dass seine Frau es nicht hören konnte.
    Wenn das Attentat nun kein einzelner Terrorakt gewesen wäre, um die Öffentlichkeit aufzurütteln, sondern Teil eines Umsturzversuches, der sich gegen die ganze Kolonie richtete? Wenn Cuvier nicht mehr der Girardieu-Regierung gehorchte, sondern an den Wahren Weg gefallen wäre? Girardieu hatte eine gewaltige Parteimaschinerie hinterlassen, aber bei dieser Hochzeitsfeier waren viele Rädchen entfernt worden. Wenn die Revolutionäre die momentane Schwäche ausnützten, könnten sie mit einem Blitzkrieg eine Menge erreichen. Vielleicht war bereits alles vorbei, vielleicht waren Sylvestes frühere Feinde entthront und neue, fremde Gesichter hatten die Macht übernommen. In diesem Fall wäre es völlig sinnlos, im Labyrinth auszuharren. Würde ihn der Wahre Weg wohl als Feind betrachten? Oder hatte er ihm die noch sehr viel undurchsichtigere Rolle des Feindes seines Feindes zugewiesen?
    Obwohl er und Girardieu am Ende gar keine Feinde mehr gewesen waren.
    Endlich kamen sie an eine größere, ebene Fläche, auf der etliche Tunnel zusammentrafen. Hier war Platz genug zum Sitzen, und da die Wirkung der Pumpen bis hierher reichte, wehte ein frischer Luftzug. Sylveste beobachtete im Infrarotmodus, wie Pascale den spiegelglatten Boden nach Ratten, scharfen Steinen oder grinsenden Totenschädeln abtastete, bevor sie sich vorsichtig niederließ.
    »Schon gut«, sagte er. »Hier sind wir in Sicherheit.« Als bräuchte er den Wunsch nur auszusprechen, um ihn Wahrheit werden zu lassen. »Falls jemand kommt, können wir zwischen mehreren Fluchtwegen wählen. Wir verhalten uns ganz still und warten ab.«
    Damit war die Flucht zunächst beendet. Nun würde sie natürlich wieder an ihren Vater denken, aber das wollte er nicht; nicht jetzt.
    »Janequin ist ein armer Tropf«, sagte er, in der Hoffnung, sie damit auf etwas andere Gedanken zu bringen. »Sie müssen ihn erpresst haben. Es ist doch immer wieder das Gleiche.«
    »Was?«, würgte Pascale heraus. »Was ist deiner Meinung nach immer wieder das Gleiche?«
    »Was rein war, wird beschmutzt.« Er war so heiser, dass er kaum flüstern konnte. Das Gas im Tempel war ihm zwar nicht in die Lungen gedrungen, aber sein Kehlkopf hatte einiges abbekommen. »Janequin hatte jahrelang an diesen Pfauen gearbeitet; seit er nach Mantell gekommen war. Angefangen hatte es ganz harmlos, mit lebenden Skulpturen.
    Er meinte, zu einer Kolonie um einen Stern namens Pavonis gehörten einfach ein paar Pfauen. Und dann kam jemand, der für die Vögel eine bessere Verwendung fand.«
    »Vielleicht waren sie alle vergiftet.« Pascale dehnte das f zu einem wütenden Zischen. »Lauter wandelnde kleine Zeitbomben.«
    »Ich glaube, er hatte nur ein paar präpariert.« Vielleicht lag es an der Luft, jedenfalls fühlte Sylveste sich plötzlich so müde, dass er kaum die Augen offen halten konnte. Im Moment waren sie in Sicherheit. Wenn ihnen die Mörder – die möglicherweise gar nicht wussten, dass sie nicht unter den Toten waren – gefolgt wären, hätten sie diesen Teil des Labyrinths inzwischen längst erreicht.
    »Ich hätte nie gedacht, dass er wirklich Feinde hatte«, sagte Pascale. Der Satz hing zusammenhanglos in dem engen Raum. Sylveste konnte sich vorstellen, wie sehr sie sich fürchtete: für jemanden, der blind war und sich nur auf seinen Zuspruch verlassen konnte, musste dieser Ort eine Stätte des Grauens sein. »Ich hätte nie für möglich gehalten, dass sie ihn um ihrer Ziele willen töten würden. Ich war sicher, dass es nichts gäbe, wofür sich das lohnte.«
 
    Khouri sollte zusammen mit dem Rest der Besatzung für den größten Teil des Fluges nach Resurgam in Kälteschlaf versetzt werden. Doch zunächst brachte sie viele Stunden im Feuerleitstand zu und absolvierte unzählige Kampfsimulationen.
    Nach einer Weile verfolgten die Übungen, die Volyova für sie zusammengestellt hatte, sie bis in ihre Träume, und der Ausdruck Langeweile wurde den endlosen Wiederholungen längst nicht mehr gerecht. Dennoch

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