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Unendlichkeit

Unendlichkeit

Titel: Unendlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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stammte, sondern mehrere Lichtstunden jenseits davon am Rand des Systems entstanden war.
    Die Spektralanalyse des Gammastrahlenblitzes ergab eine geringe, aber messbare Dopplerverschiebung von wenigen Prozent Lichtgeschwindigkeit. Das ließ nur einen Schluss zu: der Blitz kam von einem Raumschiff, das sich nach einem Flug mit interstellaren Geschwindigkeiten in der letzten Dezelerationsphase befand.
    »Da muss etwas passiert sein«, sagte Sylveste. Die Nachricht von der Zerstörung des Schiffes konnte ihn nicht aus der Ruhe bringen. »Irgendeine Störung im Antrieb.«
    »Das hatten wir auch vermutet.« Sluka klopfte mit dem Finger auf das Papier. »Wenige Tage später zeigte sich allerdings, dass das nicht sein konnte. Das Schiff war immer noch da – ein schwaches, aber eindeutiges Signal.«
    »Das Schiff hat die Explosion überstanden?«
    »Was immer es gewesen sein mag. Inzwischen lässt sich bei der Antriebsflamme eine deutliche Blauverschiebung nachweisen. Das Bremsmanöver ging normal weiter, als hätte die Explosion nicht stattgefunden.«
    »Sie haben dafür sicher eine Erklärung.«
    »Eine halbe vielleicht. Wir gehen davon aus, dass die Detonation von einer Waffe stammte. Von welcher Art, wissen wir nicht. Aber nichts anderes hätte so viel Energie freisetzen können.«
    »Eine Waffe?« Sylveste bemühte sich, möglichst keine Miene zu verziehen. Ein wenig verständliche Neugier ließ er anklingen, alle anderen Gefühle, zumeist Variationen zum Thema nackte Angst, wurden rigoros unterdrückt.
    »Seltsam, finden Sie nicht?«
    Sylveste überlief es eiskalt. Er beugte sich vor.
    »Diese Besucher – wer immer sie sein mögen, sind doch vermutlich über die Situation hier auf dem Planeten informiert?«
    »Über die politischen Verhältnisse, meinen Sie? Das halte ich für unwahrscheinlich.«
    »Aber sie haben doch sicher versucht, mit Cuvier Kontakt aufzunehmen.«
    »Das ist ja das Komische. Es kam nichts. Kein Piepser.«
    »Wer weiß darüber Bescheid?«
    Ein Flüstern, so leise, dass er es selbst kaum hörte, als drücke ihm jemand die Luftröhre zu.
    »Etwa zwanzig Personen in der Kolonie. Leute mit Zugang zu den Observatorien, etwa ein Dutzend von uns hier; nur eine Hand voll in Resurgam City… Cuvier.«
    »Das ist nicht Remilliod.«
    Sluka schob das Blatt in die Tischplatte zurück, wo es samt seinem brisanten Inhalt vernichtet wurde.
    »Demnach haben Sie eine Vorstellung, wer es sein könnte?«
    Sylveste fürchtete, dass sein Gelächter hysterisch klang. »Wenn ich Recht habe – und ich irre mich selten –, dann ist das ein schwerer Schlag, aber nicht nur für mich, Sluka, sondern für uns alle.«
    »Weiter.«
    »Es ist eine lange Geschichte.«
    Sie zuckte die Achseln. »Ich habe keine dringenden Verabredungen. Und Sie auch nicht.«
    »Im Moment nicht, das ist wahr.«
    »Wie?«
    »Nur so ein Verdacht.«
    »Hören Sie auf mit den Spielchen, Sylveste.«
    Er nickte. Es hatte wenig Sinn, mit der Wahrheit hinter dem Berg zu halten. Seine tiefsten Ängste hatte er bereits mit Pascale geteilt, nun brauchte ihn Sluka nur noch, um die Lücken zu füllen und das zu ergänzen, was sie als Horcher an der Wand nicht mitbekommen hatte. Wenn er sich weigerte, würde sie Mittel und Wege finden, ihn oder – schlimmer noch – Pascale zum Reden zu bringen.
    »Es war vor langer Zeit«, begann er. »Kurz nachdem ich von den Schleierwebern nach Yellowstone zurückgekehrt war. Sie wissen doch, dass ich damals für einige Zeit verschwand?«
    »Sie haben immer beteuert, das hätte nichts zu bedeuten gehabt.«
    »Ich wurde von Ultras entführt«, sagte Sylveste. Er wartete ihre Reaktion nicht ab, sondern sprach gleich weiter. »Sie brachten mich an Bord eines Lichtschiffes, das sich im Orbit um Yellowstone befand. Ein Angehöriger der Besatzung war verletzt, und ich sollte ihn… ›reparieren‹, man kann es wohl nicht anders ausdrücken.« »Reparieren?«
    »Der Captain war ein extremer Chimäre.«
    Sluka fröstelte. Ihre Erfahrungen mit den radikal modifizierten Randgruppen der Ultra-Gesellschaft beschränkten sich – wie bei den meisten Kolonialisten – zumeist auf schaurige Holo-Dramen.
    »Es waren keine gewöhnlichen Ultras«, sagte Sylveste. Warum sollte er mit Slukas Ängsten nicht ein wenig spielen? »Sie waren zu lange draußen gewesen; hatten sich zu weit von einer normalen menschlichen Existenz entfernt, wie wir sie kennen. Sie hatten sich selbst für Ultra-Verhältnisse extrem isoliert; paranoide

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