Unendlichkeit
hartnäckig, die Sache schnell zu Ende zu bringen. Die Reserven ließen sich strecken, wenn sie schlief, so oft sie ihr Bewusstsein nicht brauchte (immer vorausgesetzt, es war überhaupt noch einmal zu gebrauchen).
Sie programmierte den Anzug so, dass er antriebslos schwebte und sie nur weckte, wenn etwas Interessantes – oder, wahrscheinlicher, Bedrohliches – passierte. Und jetzt hatte er sie geweckt, also war wohl etwas geschehen.
Sie erkundigte sich.
Der Anzug sagte ihr, was los war.
»Scheiße!«, sagte Ilia Volyova.
Der Radarstrahl der Unendlichkeit war soeben über sie hinweggegangen; der gleiche Radarstrahl wie der, mit dem sie vor dem Einsatz der Gammastrahlenwaffe das Shuttle geortet hatte. Und die Intensität des Strahls ließ vermuten, dass sich das Schiff in unmittelbarer Nähe befand; nicht mehr als zwanzigbis vierzigtausend Kilometer entfernt; ein Katzensprung, wenn es darum ging, ein Ziel zu treffen, das so groß, so wehrlos, so statisch und so auffällig war wie sie jetzt.
Sie konnte nur hoffen, dass das Schiff so anständig war, sie schnell zu erledigen. Immerhin war die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass es irgendein Waffensystem gegen sie einsetzte, das von ihr selbst entworfen war.
Nicht zum ersten Mal verfluchte sie ihre eigene Genialität.
Volyova aktivierte das Fernrohr-Overlay und suchte das Sternenfeld ab, aus dem der Radarstrahl gekommen war. Zuerst sah sie nur Dunkelheit und Sterne – dann entdeckte sie das Schiff, ein winziges Kohlestückchen nur, das aber mit jeder Sekunde näher kam.
»Er ist jedenfalls nicht amarantinisch, nicht wahr? So weit sind wir uns einig?«
»Du meinst den Edelstein?«
»Was immer es sein mag. Und ich glaube auch nicht, dass die Amarantin für das Licht verantwortlich sind.«
»Nein. Auch das trägt nicht ihre Handschrift.« Sylveste war zutiefst dankbar für Calvins Gegenwart, auch wenn sie nur Illusion war, eine Täuschung, nicht mehr. »Was immer diese beiden Dinge sind – in welcher Beziehung sie auch zueinander stehen – die Amarantin haben sie nur gefunden.«
»Das sehe ich auch so.«
»Möglicherweise haben sie gar nicht begriffen, was sie da gefunden hatten – jedenfalls nicht richtig. Aber sie wollten es aus irgendeinem Grund einschließen, um es vor dem Rest des Universums zu verbergen.«
»Eifersucht?«
»Vielleicht. Aber das würde die Warnungen auf dem Weg hierher nicht erklären. Vielleicht wollten sie dem Rest der Schöpfung auch einen Gefallen tun und haben ihren Fund nur deshalb eingeschlossen, weil sie ihn weder zerstören noch an einen anderen Ort bringen konnten.«
Sylveste überlegte. »Wer immer die Objekte ursprünglich hier – im Umfeld eines Neutronensterns – deponierte, wollte damit Aufmerksamkeit erregen. Meinst du nicht auch?«
»Eine Art Köder?«
»Neutronensterne sind nicht selten, aber exotisch sind sie trotzdem; besonders für eine Kultur, die erst seit kurzem das Weltall bereisen konnte. Die Amarantin wären schon aus Neugier hergekommen, so viel ist sicher.«
»Aber sie waren nicht die Letzten?«
»Vermutlich nicht.« Sylveste holte tief Atem. »Meinst du, wir sollten umkehren, so lange es noch geht?«
»Vernünftig betrachtet ja. Genügt dir das als Antwort?«
Sie flogen weiter.
»Bring uns zuerst zum Licht«, sagte Calvin Minuten später.
»Ich möchte es mir aus der Nähe ansehen. Es scheint… das hört sich albern an, aber es kommt mir noch seltsamer vor als das andere Objekt. Wenn es etwas gibt, das ich aus der Nähe sehen möchte, und koste es auch mein Leben, dann ist es dieses Licht.«
»Mir geht es genauso«, sagte Sylveste. Er setzte Calvins Vorschlag bereits in die Tat um, als sei es seine eigene Idee gewesen. Calvin hatte Recht; die Fremdartigkeit dieses Lichtes ging tatsächlich tiefer; sie wirkte intensiver, älter auf ihn. Er hatte das Gefühl nicht in Worte fassen können, hatte es nicht einmal richtig wahrgenommen, aber jetzt war es an die Oberfläche gestiegen, und die Entscheidung erschien ihm richtig. Das Licht war ihr erstes Ziel.
Es war wie Silber; ein diamantförmiger Spalt im Gewebe der Wirklichkeit, ruhig und zugleich voller Leben. Als sie sich näherten, schien der Edelstein (er war in diesem Bezugssystem stationär) kleiner zu werden. Ein weicher Perlmuttschimmer erfasste den Anzug. Eigentlich hätte das Licht in den Augen wehtun müssen, aber Sylveste spürte nur Wärme und langsam wachsende Erkenntnis. Allmählich verlor er den Rest des Raums und den
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