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Unendlichkeit

Unendlichkeit

Titel: Unendlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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Sonnendiebs boshafte Hand. Ob auf dem Schiff plötzlich ein Licht ausfiel, ob ihn ein Fahrstuhl im falschen Deck absetzte, alles war Sonnendiebs Werk. Es gab keine einfachen Pannen, es gab nur gezielte Machenschaften eines hinter den Kulissen agierenden Wesens, das nur Nagorny wahrnehmen konnte. Volyova hatte die Zeichen törichterweise nicht zur Kenntnis genommen. Sie hatte gehofft – ja, gebetet, soweit ihr das möglich war –, das Phantom möge in die Jenseitswelt von Nagornys Unterbewusstsein zurückkehren. Aber Sonnendieb war bei seinem Opfer geblieben; der Sarg auf dem Fußboden war Zeuge dafür.
    Nein… so etwas hätte sie nicht vergessen.
    »Gewiss nicht«, sagte Sajaki mit wissendem Lächeln und wandte sich wieder den Reliefs zu. »Ich finde, wir sollten zuerst eine Kopie dieser Muster anfertigen«, sagte er. »Sie könnten uns helfen, aber durch diesen verdammten Braille-Effekt sind sie mit bloßem Auge kaum zu erkennen. Was mag das wohl sein?« Er fuhr mit der flachen Hand über ein Strahlenmuster. »Vogelschwingen? Oder Sonnenstrahlen von oben? Ich finde, es sieht eher nach Vogelschwingen aus. Aber warum sollte er sich mit Vogelschwingen beschäftigen? Und was ist das überhaupt für eine Sprache?«
    Volyova sah hin, aber das Mustergewirr überforderte sie. Die Sache interessierte sie – sogar sehr. Aber sie wollte den Sarg für sich allein und wünschte sich Sajaki möglichst weit weg. Hier schrie alles viel zu laut, in welch bodenlose Tiefen Nagornys Verstand gestürzt war.
    »Ich denke, man muss sich eingehender damit auseinandersetzen«, sagte sie vorsichtig. »Sie sagten ›zuerst‹. Was gedenken Sie zu tun, nachdem wir die Kopie angefertigt haben?«
    »Ich dachte, das versteht sich von selbst.«
    »Sie wollen das verdammte Ding zerstören«, vermutete sie.
    Sajaki lächelte. »Oder es Sudjic überlassen. Aber ich persönlich wäre dafür, es zu zerstören. Särge haben auf einem Schiff nichts zu suchen, schon gar nicht, wenn sie selbst gefertigt sind.«
    Die Treppe ging immer weiter. Nach einer Weile – sie hatte mehr als zweihundert Stufen gezählt – gab Khouri auf. Doch gerade als ihr die Knie weich zu werden drohten, waren die Stufen plötzlich zu Ende, und sie stand in einem langen weißen Korridor mit vielen Nischen zu beiden Seiten. Sie kam sich vor wie auf einer Portikus im Mondschein. Mit hallenden Schritten ging sie bis zur Doppeltür am Ende des Gangs. Die Türblätter waren mit schwarzen Schneckenmustern verziert und hatten leicht getönte Glasfenster. Aus dem Raum dahinter drang lavendelfarbenes Licht.
    Sie war offenbar am Ziel.
    Es war durchaus möglich, dass es sich um eine Falle handelte und dass es glatter Selbstmord wäre, den Raum zu betreten. Aber Umkehren kam nicht in Frage – das hatte ihr Manoukhian charmant, aber unmissverständlich klar gemacht. Also legte Khouri die Hand auf die Türklinke und trat ein. Sie spürte ein angenehmes Kribbeln in der Nase, ein leichter Blütenduft überdeckte den Krankenhausgeruch im Rest des Hauses. Khouri fühlte sich ungewaschen, obwohl erst wenige Stunden vergangen waren, seit Ng sie geweckt und ihr befohlen hatte, sich auf den Weg zu machen, um Taraschi zu töten. Seither hatte der Regen von Chasm City für einen Monat Schmutz auf ihr abgeladen, und der hatte sich mit ihrem Angstschweiß vermischt.
    »Manoukhian hat es also geschafft, Sie heil zu mir zu bringen«, sagte eine Frauenstimme.
    »Mich oder sich?«
    »Beides, mein Kind«, antwortete die unsichtbare Sprecherin. »Ihr habt alle beide einen Furcht erregenden Ruf.«
    Die Doppeltür fiel hinter Khouri ins Schloss. Sie sah sich um. Nicht ganz einfach in diesem seltsamen rosigen Licht. Der Raum war rund wie ein Kessel. In eine der konkaven Wände waren zwei Fenster mit geschlossenen Läden eingelassen, die wie Augen aussahen.
    »Willkommen in meinem Heim«, sagte die Stimme, »fühlen Sie sich bitte ganz wie zu Hause.«
    Khouri trat an die Fenster. Seitlich davon standen zwei Kälteschlaftanks, die glänzten wie verchromte Silberfische. Einer der Behälter war geschlossen und in Betrieb, der andere stand offen und wartete darauf, dass sich ein Schmetterling darin verpuppte.
    »Wo bin ich?«
    Die Läden flogen auf.
    »Wo Sie immer waren«, sagte die Mademoiselle.
    Unter ihr lag Chasm City. Aber so hoch oben war sie noch nie gewesen. Sie befand sich noch über dem Moskitonetz, vielleicht fünfzig Meter von seiner fleckigen Oberfläche entfernt. Die Stadt lag unter dem Netz wie ein

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