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Unendlichkeit

Unendlichkeit

Titel: Unendlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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phantastisches, in Formaldehyd konserviertes Meeresungeheuer. Sie hatte keine Ahnung, wo sie war, nur, dass dies eins der höchsten Gebäude sein musste und dass sie es wahrscheinlich für unbewohnt gehalten hatte.
    Die Mademoiselle sagte: »Ich nenne es das Château des Corbeaux, das Rabenschloss. Weil es so schwarz ist. Sie haben es sicher schon gesehen.«
    »Was wollen Sie von mir?«, fragte Khouri endlich.
    »Sie sollen einen Auftrag für mich erledigen.«
    »Und deshalb dieser Aufwand? Ich meine, warum mussten Sie mich mit vorgehaltener Waffe entführen lassen, nur weil Sie einen Auftrag für mich haben? Warum sind Sie nicht den normalen Weg gegangen?«
    »Weil es kein normaler Auftrag ist.«
    Khouri nickte zu dem offenen Kälteschlaftank hin. »Was hat der damit zu tun?«
    »Sagen Sie nicht, er wäre Ihnen unheimlich. Schließlich sind Sie in so einem Ding auf unsere Welt gekommen.«
    »Ich wollte nur wissen, was er hier soll.«
    »Alles zu seiner Zeit. Drehen Sie sich bitte um?«
    Khouri hörte ein leises Surren hinter sich, als würde ein Aktenschrank geöffnet.
    Eine Hermetikersänfte war in den Raum gekommen. Vielleicht war sie auch schon die ganze Zeit da gewesen, nur durch irgendeinen Trick getarnt. Der Palankin war so dunkel und eckig wie ein Metronom und wies keinerlei Ornamente auf. Die Außenhülle war primitiv zusammengeschweißt und vollkommen glatt. Khouri sah keine Sensoren und das winzige Monokel auf der Vorderseite war so schwarz wie das Auge eines Hais.
    »Sie hatten sicher schon mit Artgenossen von mir zu tun«, sagte eine Stimme aus dem Palankin. »Also kein Grund zur Beunruhigung.«
    »Ich bin nicht beunruhigt«, sagte Khouri.
    Aber das war eine Lüge. Die Kiste war beunruhigend; sie hatte eine Ausstrahlung, wie sie sie in Gegenwart von Ng oder anderen Hermetikern ihrer Bekanntschaft nie gespürt hatte. Vielleicht lag es daran, dass der Palankin so völlig schmucklos war, vielleicht auch an dem – ganz unterbewussten – Gefühl, dass die Kiste nur selten bewohnt war. Das ungewöhnlich kleine Sichtfenster nährte noch den Verdacht, hinter den schwarzen, undurchsichtigen Wänden verberge sich ein Ungeheuer.
    »Ich kann Ihnen jetzt nicht alle Ihre Fragen beantworten«, sagte die Mademoiselle. »Aber ich habe Sie natürlich nicht nur hierher bringen lassen, um Ihnen zu zeigen, in welcher Zwangslage ich mich befinde. Vielleicht bringt uns das weiter.«
    Neben dem Palankin entstand eine Gestalt, die sich rasch verfestigte.
    Es war natürlich eine Frau – eine junge Frau, und sie war paradoxerweise mit einer Eleganz gekleidet, die auf Yellowstone seit der Seuche völlig aus der Mode gekommen war. Entoptische Figuren umflimmerten sie. Das schwarze Haar war straff aus der edlen Stirn gekämmt und wurde von einer blitzenden Spange gehalten. Das stahlblaue Gewand war schulterfrei und hatte ein gewagtes Dekollete. Wo der Stoff den Boden berührte, schien er sich aufzulösen.
    »So war ich«, sagte die Gestalt. »Bevor die Fäulnis zuschlug.«
    »Warum können Sie sich nicht immer noch so zeigen?«
    »Ich kann die Sänfte nicht verlassen, das Risiko ist zu groß – selbst in den Schutzzonen für Hermetiker. Ich traue den Sicherheitsvorkehrungen nicht.«
    »Warum haben Sie mich hierher bringen lassen?«
    »Hat Ihnen das Manoukhian nicht ausführlich erklärt?«
    »Das kann man nicht sagen. Er meinte nur, es sei meiner Gesundheit förderlicher, wenn ich mit ihm käme.«
    »Wie unfein. Aber durchaus zutreffend, das lässt sich nicht bestreiten.« Das starre, fahle Frauengesicht verzog sich zu einem Lächeln. »Aus welchem Grund ließ ich Sie wohl hierher bringen, was meinen Sie?«
    Was immer hinter alledem stecken mochte, Khouri wusste, dass sie schon zu viel gesehen hatte. Sie konnte nicht mehr in die Stadt zurückkehren und ihr normales Leben wiederaufnehmen.
    »Ich bin Berufskiller. Manoukhian hat mich bei der Arbeit gesehen und mir bestätigt, ich würde meinem Ruf gerecht. Nun vermute ich – das mag etwas voreilig sein –, dass ich jemanden für Sie töten soll.«
    »Sehr gut.« Die Gestalt nickte. »Aber hat Ihnen Manoukhian auch erklärt, dass es sich um keinen gewöhnlichen Auftrag handelt?«
    »Er hat von einem entscheidenden Unterschied gesprochen.«
    »Und würde Sie das stören?« Die Mademoiselle sah sie eindringlich an. »Ein interessanter Punkt, nicht wahr? Mir ist bekannt, dass Ihre Opfer normalerweise ihr Einverständnis geben, sich töten zu lassen, bevor Sie die Verfolgung

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