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Unendlichkeit

Unendlichkeit

Titel: Unendlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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konzentrierte sich auf den Text. »Hier wird auf einen Schwarm von Abtrünnigen Bezug genommen.«
    »Abtrünnig in welchem Sinne?« Er stellte sie auf die Probe, und sie wusste es, aber Pascales Deutung konnte auch als Gradmesser für die Subjektivität seiner eigenen Analyse dienen.
    »Ein Schwarm, der dem Abkommen mit dem Vogelmacher nicht zustimmte oder sich hinterher nicht daran hielt.«
    »Darauf war ich auch gekommen. Ich hatte nur Bedenken, ob mir nicht der eine oder andere Fehler unterlaufen war.«
    »Wer sie auch waren, man nannte sie jedenfalls die Verbanntem.« Sie las weiter, kehrte immer wieder zurück, überprüfte ihre Hypothesen und revidierte ihre Interpretation, wo es nötig war. »Sieht so aus, als hätten sie ursprünglich zu dem Schwarm gehört, der mit den Bedingungen des Vogelmachers einverstanden war, um dann einige Zeit später ihre Meinung zu ändern.«
    »Findest du auch den Namen des Anführers?«
    Pascale begann: »Geführt wurden sie von einem Individuum namens…« Doch dann brach sie ab. »Nein, diese Zeichenfolge kann ich nicht übersetzen; jedenfalls nicht aus dem Stegreif. Was hat das alles überhaupt zu bedeuten? Glaubst du, es hat diese Verbannten wirklich gegeben?«
    »Nicht auszuschließen. Wenn ich raten müsste, würde ich sagen, es waren Ungläubige, die mit der Zeit erkannten, dass der Mythos vom Vogelmacher eben nur ein Mythos war und nicht mehr. Das hätte den fundamentalistischen Schwärmen natürlich nicht besonders gefallen.«
    »Und deshalb hat man sie verbannt?«
    »Immer vorausgesetzt, sie haben überhaupt existiert. Aber ein Gedanke lässt mich nicht los: Was ist, wenn sie so etwas wie eine Technikersekte gewesen wären, eine Enklave von Wissenschaftlern? Amarantin, die Experimente machen und Fragen nach den Gesetzen ihrer Welt stellen wollten?«
    »Wie die Alchimisten des Mittelalters?«
    »Ja.« Der Vergleich sagte ihm auf Anhieb zu. »Vielleicht haben sie sogar Versuche mit Flugmaschinen gemacht wie einst Leonardo. Wenn man sich die Stimmung in dieser Amarantin-Kultur vorstellt, wäre das nicht anders gewesen, als hätten sie Gott ins Gesicht gespuckt.«
    »Einverstanden. Aber nehmen wir an, es hätte sie gegeben – und sie wären verbannt worden –, was wurde dann aus ihnen? Sind sie einfach ausgestorben?«
    »Ich weiß es nicht. Aber eines ist klar. Diese Verbannten spielten eine wichtige Rolle – sie waren nicht nur eine Fußnote in der langen Geschichte des Vogelmacher-Mythos. Sie tauchen an jeder Stelle des Turms auf, überall in der ganzen Stadt – und das viel häufiger als in anderen Amarantin-Funden.«
    »Aber die Stadt kam erst ziemlich spät«, sagte Pascale. »Abgesehen vom Obelisken, der als Wegweiser diente, ist sie das jüngste Relikt, das wir gefunden haben. Sie entstand erst kurz vor dem Ereignis. Warum tauchen die Verbannten plötzlich wieder auf, nachdem sie so lange verschwunden waren?«
    »Nun ja«, überlegte Sylveste. »Vielleicht sind sie zurückgekehrt.«
    »Nach – Zehntausenden von Jahren?«
    »Vielleicht.« Sylveste lächelte geheimnisvoll. »Wenn sie – nach so langer Abwesenheit – tatsächlich wiedergekommen wären, könnte man das doch zum Anlass genommen haben, gewisse Statuen zu errichten.«
    »Das heißt, die Statue – meinst du, sie stellt womöglich ihren Anführer dar? Das Wesen mit dem Namen…« Pascale unternahm einen neuen Versuch, das Wort zu übersetzen. »Das ist doch das Symbol für Sonne, nicht wahr?«
    »Und das andere?«
    »Ich bin nicht sicher. Sieht so aus wie das Zeichen für… Diebstahl – aber wie könnte das sein?« »Wenn du die beiden zusammenfügst, was kommt dann heraus?« Im Geiste sah er, wie sie die Achseln zuckte, sich nicht festlegen wollte. »Einer, der die Sonne stiehlt? Ein Sonnendieb? Was soll das sein?«
    Nun hob auch Sylveste die Schultern. »Das frage ich mich schon den ganzen Morgen. Das und noch etwas.«
    »Nämlich?«
    »Warum ich glaube, den Namen schon einmal gehört zu haben.«
 
    Als sie den Geschützpark verließen, waren sie zu dritt. Sie stiegen in einen anderen Fahrstuhl, der sie tiefer ins Herz des Schiffes brachte.
    »Gut gemacht«, lobte die Mademoiselle. »Volyova ist aufrichtig überzeugt, Sie für sich gewonnen zu haben.«
    Sie war fast die ganze Zeit bei ihnen gewesen – hatte Volyovas Führung schweigend verfolgt und lediglich hin und wieder eine nur für Khouri bestimmte Bemerkung oder einen Hinweis eingeworfen. Khouri fand das zutiefst beunruhigend: sie wurde

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