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Unendlichkeit

Unendlichkeit

Titel: Unendlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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wären die Instrumente Teil Ihres eigenen Körpers. So wird es Ihnen vorkommen, wenn Sie ganz mit dem Leitstand verschmelzen – Ihr eigenes Körpergefühl weitet sich aus und umfasst schließlich das ganze Schiff.«
    Khouri spürte schon die ersten Anzeichen; zumindest hatte sie den Eindruck, als würden die Grenzen zwischen ihrem Körper und dem Sitz verschwimmen. So verlockend es auch war, sie wollte nicht, dass der Prozess sich fortsetzte. Es kostete sie viel Überwindung, sich aus dem Stuhl zu lösen. Doch dann zogen sich die Polsterflächen schwirrend zurück und gaben sie frei.
    »Ich weiß nicht recht, was ich davon halten soll«, bemerkte die Mademoiselle.

Sieben
    Unterwegs nach Delta Pavonis, 2546
    Volyova war sich immer bewusst, dass sie sich an Bord eines Schiffes befand. (Dafür sorgten die leichten Unregelmäßigkeiten bei der Induktion der Schwerkraft, die bedingt waren durch winzige Schwankungen im Schubstrom, welche wiederum durch mysteriöse Quanten-Kapriolen in den Tiefen der Synthetiker-Triebwerke ausgelöst wurden.) So war es auch jetzt, als sie auf die abgeschiedene Lichtung trat und an der rustikalen Treppe, die zum Rasenplatz hinunter führte, zögernd stehen blieb. Sajaki blieb stumm und reglos neben dem knorrigen Baumstumpf, ihrem inoffiziellen Treffpunkt, auf den Knien liegen. Wenn er sie bemerkt hatte, so zeigte er das nicht. Aber er musste ihr Kommen gespürt haben. Volyova wusste, dass Sajaki zusammen mit Captain Brannigan, als der noch in der Lage war, das Schiff zu verlassen, den Musterschiebern auf der Wasserwelt Wintersea einen Besuch abgestattet hatte. Sie wusste zwar nicht, wozu die beiden die Reise unternommen hatten, aber es gab Gerüchte, wonach die Schieber Sajakis Neokortex verändert und ihm Neuralstrukturen aufgeprägt hatten, die sein räumliches Vorstellungsvermögen so außergewöhnlich intensivierten, dass es jetzt vier oder gar fünf Dimensionen umfasste. Es war ein sehr seltenes Schieber-Transform: es blieb nämlich auf Dauer erhalten.
    Volyova schlenderte die Treppe hinunter und trat so fest auf die letzte Stufe, dass sie knarrte. Sajaki wandte sich um, zeigte sich aber nicht überrascht.
    »Was ist los?«, fragte er, als er ihren Gesichtsausdruck bemerkte.
    »Es geht um den Stavlennik«, sagte sie, kurz ins Russische zurückfallend. »Unseren Schützling, meine ich.«
    »Erzählen Sie«, sagte Sajaki zerstreut. Er trug einen aschgrauen Kimono, der vom Knien im feuchten Gras olivgrüne Flecken hatte. Seine Shakuhachi lag auf der spiegelblank polierten Oberfläche des Baumstumpfs. Sajaki und Volyova waren die letzten beiden Besatzungsmitglieder, die zwei Monate nach dem Abflug von Yellowstone noch nicht im Kälteschlaf lagen.
    »Sie gehört jetzt zu uns«, sagte Volyova und kniete vor ihm nieder. »Ihre Einweisung ist im Wesentlichen abgeschlossen.«
    »Das ist erfreulich.«
    Jenseits der Lichtung kreischte ein Papagei und flog, ein zappelnder, grell bunter Farbfleck, von seinem Ast auf. »Wir können sie Captain Brannigan vorstellen.«
    »Je früher, desto besser«, sagte Sajaki und strich eine Falte seines Kimonos glatt. »Oder haben Sie Bedenken?«
    »Wegen des Treffens mit dem Captain?« Sie schnalzte nervös mit der Zunge. »Nicht die geringsten.«
    »Dann liegt es tiefer.«
    »Was?«
    »Was immer Sie belastet, Ilia. Los! Heraus mit der Sprache!«
    »Es geht um Khouri. Ich wage es nicht mehr, sie den gleichen psychischen Belastungen auszusetzen, wie Nagorny sie erleiden musste.« Sie hielt inne und wartete – hoffte – auf irgendeine Reaktion von Sajaki. Aber nur das Rauschen des Wasserfalls war zu hören. Das Gesicht ihres Mit-Triumvirs blieb völlig ausdruckslos. »Das heißt«, fuhr sie fort – jetzt war sie so unsicher, dass sie fast stotterte –, »ich bin nicht mehr sicher, dass sie die geeignete Person für diese Phase ist.«
    »Für diese Phase?« Sajaki sprach so leise, dass sie ihm die Worte von den Lippen ablesen musste.
    »Ich meine, sie sollte nicht unmittelbar nach Nagorny an den Feuerleitstand angeschlossen werden. Es ist gefährlich, und Khouri ist zu wertvoll, ich will sie nicht verlieren.« Sie hielt inne, schluckte und holte tief Luft. Jetzt kam der schwierigste Teil. »Ich finde, wir brauchen einen neuen – einen weniger brillanten Kandidaten. Mit einem mittelmäßigen Waffenoffizier könnte ich die letzten Unebenheiten ausbügeln, um dann Khouri an die erste Stelle zu setzen.«
    Sajaki hob seine Shakuhachi auf und spähte nachdenklich

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