Unersaettlich - Scharfe Stories
frage ich ihn.
Er lächelt traurig, zuckt mit den Schultern und küsst mich erneut.
»Warum machst du das hier? Wer ist Viveka?«
»Stell mir keine Fragen; es ist eine lange Geschichte. Sie war meine Frau, und sie starb«, erwidert er, aber ich fühle mich von seinem Tonfall nicht abgewiesen.
»Wann ist sie gestorben? Vor Kurzem?«
»Nein, es ist schon sehr lange her. Du erinnerst mich an sie. Ich habe mich lange nicht so gefühlt wie heute.«
»Hast du wenigstens Kinder? Familie?«
Er lacht. »O nein, deshalb tue ich das hier ja. Glaubst du, ich wäre ein alternder Gigolo in Pittsburgh, Pennsylvania, wenn ich eine Familie hätte, für die ich sorgen müsste? Wie könnte ich mich vor ihnen so entehren?«
»Kalman, im Gegenteil, du hast dich und mich geehrt; du hast mir das Leben gerettet, und das weißt du. Das war nicht einfach nur Sex; wir haben etwas Tiefes, Bedeutsames miteinander geteilt. Deine Tränen haben es doch bewiesen.«
Er schüttelt den Kopf. »Du bist so jung, so romantisch.«
»Das bin ich nicht!«, erwidere ich, wobei ich selbst in meinen Ohren extrem jung und romantisch klinge. »Kalman, ich liebe dich wirklich. Um das zu wissen, muss ich nicht alt sein. Meine Liebe zu dir muss sich nicht erst mit
der Zeit entwickeln; sie ist einfach da. Wir müssen zusammen sein. Ich muss bei dir sein. Ich komme aus einer reichen Familie; es wird funktionieren, ich verspreche es dir. Lass mich dich hier herausholen.«
Er küsst mir die Hand. »Du musst jetzt leider gehen, mein Kind. Es beschämt mich, aber ich muss dir sagen, dass ich jetzt einen Termin mit einer Stammkundin habe.«
»Kalman, hör zu. Ich habe ein Auto und eine Kreditkarte. Wir können sofort von hier verschwinden! Oder auch heute Abend, wenn du fertig bist. Du musst mir nur sagen, wann und wo ich dich abholen soll.«
»Nein«, erwidert er mit fester Stimme. »Mein Platz ist hier. Dies ist mein Schicksal.«
»Es ist nicht dein verdammtes Schicksal! Ich fasse es nicht, das hört sich so nach Alte Welt an! Unser Schicksal ist es, zusammen zu sein, vielleicht in Kalifornien, irgendwo, wo wir uns an unserer Liebe erfreuen können. Ich werde kochen; wir fahren am Meer entlang. Das würde dir doch gefallen, oder?«, plappere ich lächerlich und verzweifelt.
»Nächste Woche. Komm nächsten Mittwoch wieder, dann können wir noch ein bisschen träumen. Wenn du spät am Tag kommst, können wir anschließend zusammen zu Abend essen. Mach einen Termin mit Marge, ja?« Er sammelt meine Kleider auf und beginnt, sie mir anzuziehen.
»Sei ein braves Mädchen!« Er küsst mich auf die Schläfe und begleitet mich hinunter. Tante Sylvia hängt am Arm ihres Investmentbankers und lacht ihr aufgesetztes,
perlendes Lachen. Sie winkt mir fröhlich zu. »Zeit für ein Schläfchen, was? Eine ungewöhnliche Wahl, aber du warst ja immer schon Daddys kleines Mädchen.«
Ich blicke mich um, als sie mich aus der Tür geleitet, wobei sie sich beklagt, dass Mort sie umbringt, wenn sie nicht in zehn Minuten zu Hause ist. Kalman ist verschwunden.
TINA GLYNN
Dauerwellen
Ich war nass bis auf die Haut und zitterte vor Kälte. Seit fünf Minuten stand ich schon hier und starrte auf die Scheibe, gegen die der Regen prasselte, und traute mich nicht, hineinzugehen.
Die Versuchung, zu Maureen zu gehen und sie darum zu bitten, mich wieder einzustellen, überwältigte mich beinahe, aber Colin, mein Verlobter, würde mich umbringen. Als Friseurin bei Sybarus verdiente ich fast doppelt so viel, und da wir in zwei Wochen heiraten wollten … Colin hatte Recht, sagte ich mir, holte tief Luft und griff entschlossen nach der Türklinke. Dreiundfünfzigmal Krabbencocktail, Roastbeef vom Angusrind und Erdbeer Brûlées (plus Kaffee, Petits Fours und Karaoke-Discjockey) bezahlten sich nicht von selbst.
Als ich die Tür aufstieß, schlug mir ohrenbetäubend laute elektronische Musik entgegen. Sie hallte in dem leeren Raum, und der Boden schien unter den Bässen zu vibrieren.
Kläglich blickte ich mich in dem wenig einladenden Raum um: eine seltsame Mischung aus blendend weißen Wänden, falschen Zebrafellen und poliertem Chrom. Die einzige Dekoration bestand aus ein paar riesigen Zweigen
in ein Meter hohen Stahlvasen. Die kahle, trendige Umgebung war von der kuscheligen Gemütlichkeit in Maureens Salon an der Ecke der Allsop Street meilenweit entfernt.
Hinten in diesem minimalistischen Raum, hinter einer Reihe glänzender Metallwaschbecken, stand auf einer Tür »Personal«.
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