Ungeahnte Nebenwirkungen
er sich sparen können, wenn er ja die Antworten schon kannte, dachte sie, doch so waren sie, die Ärzte.
Gehorsam befolgte sie die ärztlichen Anweisungen, legte sich auf die mit Papier bedeckte Liege und ließ die Untersuchung über sich ergehen. Auch die vorsorglichen Impfungen, die ihr der Weißkittel empfohlen hatte, akzeptierte sie.
»Alles in Ordnung«, informierte sie Dr. Schuler wenig später. »Sie sind kerngesund. Ihrer Reise steht nichts im Wege!«
Erleichtert verließ Nicole die Praxis. Das erste Hindernis hatte sie mit links überwunden. Ihre Gedanken kehrten zum Reiseführer zurück, den sie sich vor dem Arztbesuch besorgt hatte. Sie konnte es kaum erwarten, mehr über Neuseeland zu erfahren.
Den Abend verbrachte Nicole ausschließlich mit ihrer Lektüre über die Entdeckung der beiden Inseln durch den britischen Seefahrer Cook und die doch eher selbstherrliche Entscheidung der englischen Krone, sich diesen Inselstaat einzuverleiben. Sie fragte sich, wie es möglich war, dass fast 90% der Einwohner Neuseelands aus Europa stammten, während nur gerade knappe 10% als Maori galten. Was war mit den anderen passiert? Erleichtert nahm sie jedoch zur Kenntnis, dass zwischen den Bevölkerungsgruppen wenigstens auf gesetzlicher Ebene verbriefte Gleichheit herrschte – schon seit 1840.
Schließlich wandte sich Nicole den Informationen zu, die sie für ihre Reise benötigte, las, dass in Neuseeland Linksverkehr herrschte und nur etwa 3,5 Millionen Menschen das Land bevölkerten, dessen Fläche immerhin dreiviertelmal so groß war wie Deutschland. Sehr dicht besiedelt war Neuseeland wirklich nicht; Nicole hatte mal gehört, in Neuseeland gäbe es mehr Schafe als Einwohner.
Erleichtert nahm Nicole zur Kenntnis, dass sie mit Englisch kein Problem haben würde, sich zu verständigen, auch wenn Kiwi-Englisch, wie man die Sprache der Neuseeländer nannte, nicht immer nach Englisch klang. Dass auf der Nordinsel, auf der Wellington lag, ein gemäßigtes Klima vorherrschte, beruhigte sie ebenfalls, denn sie wollte schließlich nicht aus dem europäischen Winter in einen tropischen Sommer geworfen werden.
Allerdings, so entschied sie, würde sie der sportlichen Begeisterung der Neuseeländer kaum etwas abgewinnen können, denn weder Rugby noch Kricket fand sie sonderlich animierend, Fun-Sportarten wie Bungee-Jumping oder River-Rafting hingegen trieben ihr allein beim Gedanken an die Gefahren, die sie beinhalteten, den Angstschweiß auf die Stirn.
Nein, dachte Nicole seufzend, sie war bestimmt nicht zur Weltentdeckerin berufen, dazu fühlte sie sich schon bei der Aussicht auf eine Reise in ein europäisches Land viel zu unsicher. Wie gern hätte sie jetzt jemanden an ihrer Seite gehabt, der sie unterstützt hätte!
»Da muss ich durch«, sagte sie laut zu sich, schloss den Reiseführer und griff nach dem Ticket, das zusammen mit ihrem Pass neben dem Telefon lag.
»In drei Tagen, Mirjam, in drei Tagen werde ich in Wellington sein!« erklärte sie dem Papier mit heftigem Herzklopfen.
Der Jumbo-Jet der australischen Airline rollte langsam und geräuschvoll aus und kam dann zum Stehen. Hektik machte sich unter den Reisenden breit. Sie griffen nach ihrem Handgepäck, streckten sich und versuchten ihren Kreislauf nach Stunden des verkrampften Sitzens wieder in Schwung zu bringen.
Nicole verließ als eine der letzten den fliegenden Blechkasten. Sie unterdrückte die aufsteigende Nervosität, die ihre Beine schwer werden ließ. Mit äußerster Konzentration verlieh sie ihrem Gesicht den Ausdruck einer weitgereisten und welterfahrenen Geschäftsfrau, die sie eigentlich hätte sein müssen. Sie beantwortete die Fragen bei der Passkontrolle zu ihrer eigenen Verwunderung in fließendem Englisch. Als Zweck ihres Besuches gab Nicole an, eine Freundin besuchen zu wollen und endlich die heißeste Quelle der Welt und die bekannten Vulkane kennenzulernen. Der Uniformierte lächelte sie wohlwollend an und sparte nicht mit Ratschlägen, wie frau am schnellsten zu den schönsten Orten seiner Heimat vordringen könne.
Endlich hielt Nicole auch ihr Gepäck in den Händen, das nur aus einem Koffer und der Tasche, die sie sich umgehängt hatte, bestand. Sie verließ das Flughafengebäude und wurde von der Wärme, die draußen herrschte, angenehm und dem heftigen Wind, der von der Cook-Straße her blies, unangenehm überrascht. Nicole kämpfte sich zu einem Taxi durch und nannte dem Fahrer Mirjams Adresse.
Nicoles Herzklopfen wurde
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