Ungeduld des Herzens.
äußere Form der Ausführung. Völlig klar ordneten sich die Gedanken in meinem Kopf, als hätte das weiße Mondlicht die Kappe durchdrungen, und genau so gleichgültig, als gelte es, einen Karabiner zu zerlegen, teilte ich mir die nächsten zwei, drei Stunden ein, die letzten meines Lebens. Sauber alles erledigen, nichts vergessen, nichts übersehen! Zuerst einen Brief an die Eltern: mich entschuldigen, daß ich ihnen diesen Schmerz bereiten müßte. Dann Ferencz schriftlich bitten, er möge den Apotheker nicht stellen, die Angelegenheit sei durch meinen Tod abgetan. Einen dritten Brief an den Obersten: ihn ersuchen, alles Aufsehen möglichst zu unterdrücken, Begräbnis lieber in Wien, keine Delegation, keine Kränze. Allenfalls ein paar Worte noch an Kekesfalva, kurz und knapp, er solle Edith meiner herzlichsten Neigung versichern, und sie möge nichtschlecht von mir denken. Dann zu Hause tadellose Ordnung machen, die kleinen Schulden auf einem Zettel zusammenstellen, Auftrag erteilen, mein Pferd zu verkaufen, um allfällige Rückstände zu decken. Zu vererben habe ich nichts. Die Uhr und das bißchen Wäsche sollen meinem Burschen gehören – ach ja, und den Ring und die goldene Zigarettendose möge man Herrn von Kekesfalva retournieren.
Was noch? Richtig: die beiden Briefe von Edith verbrennen, überhaupt alle Briefe und Photographien! Nichts von sich zurücklassen, keine Erinnerung, keine Spur. Möglichst unauffällig verschwinden, wie man unauffällig gelebt hat. Immerhin, das gibt reichlich Arbeit für zwei, drei Stunden, denn jeder Brief soll sauber geschrieben sein, damit mir niemand Angst oder Verwirrtheit nachsagen kann. Dann das Letzte, das Leichteste: sich ins Bett legen, zwei, drei Decken dicht über den Kopf ziehen und darüber noch das schwere Federbett, damit man nebenan oder auf der Straße nichts von der Detonation des Schusses vernimmt – so hat's seinerzeit der Rittmeister Felber gemacht. Um Mitternacht hat er sich erschossen, niemand hat auch nur einen Ton gehört; erst morgens haben sie ihn gefunden mit zerschmettertem Schädel. Unter den Decken dann den Lauf ganz nah an die Schläfe pressen, mein Revolver ist verläßlich, vorgestern habe ich zufällig den Verschluß noch frisch geölt. Und ich weiß, ich habe eine sichere Hand.
Nie in meinem Leben habe ich – ich muß es wiederholen – irgend etwas klarer, präziser, exakter disponiert als damals meinen Tod. Übersichtlich wie in einer Registratur war alles zurechtgelegt, Minute für Minute eingeteilt, als ich nach einer Stunde scheinbar ziellosen Herumirrens vor der Kaserne anlangte. Mein Schritt war die ganze Zeit über vollkommen ruhig, mein Puls ebenmäßig gegangen, und wie sicher meine Hand geblieben, merkte ich mit einem gewissen Stolz, als ich nun den Schlüssel ins Schloßder kleinen Seitentür steckte, die wir Offiziere nach Mitternacht immer benützten. Nicht um einen Zoll verfehlte ich selbst im Dunkel die schmale Öffnung. Jetzt noch den Hof überqueren und die drei Treppen hinauf! Dann bin ich mit mir allein und kann anfangen und enden zugleich. Doch da ich mich vom mondhellen Geviert des Hofs dem Torschatten der Treppe nähere, regt sich dort eine Gestalt. Verdammt, denke ich mir: irgendein heimkehrender Kamerad, der, knapp vor mir gekommen, mich noch begrüßen und am Ende lang herumschwatzen will! Im nächsten Augenblick aber erkenne ich, peinlichst berührt, an den breiten Schultern den Oberst Bubencic, der mich erst vor wenigen Tagen angepfiffen hat. Mit Absicht scheint er im Torbogen stehengeblieben zu sein; ich weiß, dieser Kommißknopf sieht's nicht gern, wenn unsere Leute spät nach Hause kommen. Aber zum Teufel, was geht das alles mich noch an! Morgen stehe ich vor jemand ganz anderm beim Rapport. So will ich mit einer verbissenen Entschlossenheit, als ob ich ihn nicht bemerkte, weiter, doch schon tritt er aus dem Schatten heraus. Scharf stößt seine knarrige Stimme auf mich zu:
»Leutnant Hofmiller!«
Ich trete heran und stehe stramm. Er mustert mich scharf.
»Neueste Mode der jungen Herren, den Mantel halboffen zu tragen. Glaubt's, ihr könnt's nach Mitternacht herumlaufen wie eine Sau, die ihre Zitzen hängen läßt? Nächstens werdet's ihr noch daherschlampen mit offenen Hosen. Das verbitt ich mir! Auch nach Mitternacht haben meine Offiziere anständig adjustiert zu sein. Verstanden?«
Ich klappe gehorsamst die Hacken zusammen. »Zu Befehl, Herr Oberst.«
Mit einem verächtlichen Blick dreht er sich
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