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Ungeduld des Herzens.

Ungeduld des Herzens.

Titel: Ungeduld des Herzens. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Zweig
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diesem seinem Regiment besser als bei jedem andern klappen sollte, war in nuce der Sinn seines Lebens.
    Ein Mann bornierten Blickfelds ist an und für sich schon überall schwer erträglich, wo ihm Macht gegeben ist, am fürchterlichsten aber beim Militär. Da Dienst bei der Truppe sich aus tausend überakkuraten, meist schon überalterten und petrifizierten Vorschriften zusammensetzt, die einzig ein enragierter Troupier auswendig kennt und nur ein Narr buchstabengetreu fordert, fühlte keiner in der Kaserne sich je vor diesem Fanatiker des heiligen Reglements sicher. Der Terror der Exaktheit saß in seiner feisten Gestalt zu Pferd, er thronte mit stecknadelscharfen Augen bei Tisch, er war der Schrecken der Kantinen und Kanzleien; ein kalter Wind von Angst stob überall seinem Kommen voraus, und wenn das Regiment ausgerückt stand zur Inspizierung und Bubencic auf seinem rostbraunen niedern Wallachen langsam heranritt, den Kopf ein wenig gesenkt wie ein Stier vor dem Stoß, erstarrte jede Bewegung in den Reihen, als ob gegenüber feindliche Artillerie aufgefahren wäre und schon abprotzte und zielte. Jeden Augenblick, wußte man, mußte der erste Einschlag kommen, unabwendbar, unaufhaltsam, und niemand konnte voraussagen, ob dieser erste Volltreffernicht ihm galt. Eisstarr standen sogar die Pferde und zuckten mit keinem Ohr, keine Sporen klirrten, kein Atem ging. Und gemächlich, den Schrecken, der von ihm ausging, sichtlich genießend, ritt der Tyrann dann heran, einen nach dem andern aufspießend mit seinem akkuraten Blick, dem nichts entging. Er sah alles, dieser metallene Dienstblick, er ertappte die Kappe, die einen Fingerbreit zu nieder war, jeden schlecht geputzten Knopf; jeden Rostfleck am Säbel, jede Schlackspur am Pferd; und kaum daß er die kleinste Unvorschriftsmäßigkeit erspäht hatte, brach ein Gewitter oder vielmehr eine wahre Schlammflut von Flüchen nieder. Unter dem engen Uniformkragen schwoll der Adamsapfel apoplektisch wie eine plötzliche Geschwulst, die Stirn unter dem kurzgeschorenen Haar wurde blutrot, dicke Adern kletterten blau die Schläfen hinauf. Und dann fetzte er los mit seiner knorrig heiseren Stimme; ganze Dreckkübel goß er über das schuldig-unschuldige Opfer aus, und manchmal wurde die Ordinärheit seiner Ausdrücke derart peinlich, daß die Offiziere verärgert zu Boden blickten, weil sie sich für ihn vor der Mannschaft schämten.
    Wie den leibhaftigen Satan fürchtete ihn die Mannschaft, der er für jede Nichtigkeit Spangen und Arrest aufrasselte und manchmal im Zorn sogar seine derbe Faust ins Gesicht drosch. Selbst habe ich's erlebt, wie ein ruthenischer Ulan einmal im Stall, als der »blade Frosch« – so nannten wir ihn, weil sein feister Hals sich im Zorn bis zum Platzen blähte – schon in der Nachbarbox tobte, auf russische Weise das Kreuz schlug und mit bebenden Lippen ein Stoßgebet herzusagen begann. Bis zur Erschöpfung hußte Bubencic die armen Burschen herum, er karniffelte sie, ließ sie Karabinerübungen wiederholen, daß ihnen die Arme krachten, und auf den stützigsten Pferden solange reiten, bis ihnen das Blut aus den Hosen lief. Erstaunlicherweise aber liebten die biedern bäuerlichenOpfer ihren Tyrannen auf ihre dumpfe und ängstliche Weise mehr als all die milderen und dafür auch distanzierteren Offiziere. Es war, als ob irgendein Instinkt ihnen sagte, daß diese Härte aus einem eigensinnig bornierten Willen nach gottgewollter Ordnung stammte; überdies tröstete es die armen Teufel, daß wir Offiziere nicht viel besser wegkamen, denn selbst die schlimmste Fuchtel nimmt der Mensch sofort leichter hin, sobald er weiß, daß sie gleich hart auf des Nachbars Rücken fällt. Gerechtigkeit gleicht Gewalt geheimnisvoll aus: immer wieder wärmten die Soldaten mit gutem Behagen die Geschichte vom jungen Prinzen W. auf, der mit dem allerhöchsten Kaiserhaus verwandt war und darum glaubte, sich allerhand besondere Schnacken erlauben zu dürfen. Aber Bubencic verknallte ihn ebenso unbarmherzig auf vierzehn Tage wie irgend einen Häuslerssohn; vergebens, daß aus Wien Exzellenzen anriefen. Bubencic schenkte dem hohen Delinquenten nicht einen einzigen Tag seiner Strafe – ein Trotz übrigens, der ihn damals sein Avancement kostete.
    Aber noch merkwürdiger: selbst wir Offiziere konnten uns einer gewissen Bindung an ihn nicht entziehen. Auch uns imponierte die dumpfe Ehrlichkeit in seiner Unerbittlichkeit und vor allem seine unbedingte kameradschaftliche

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