Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ungeduld des Herzens.

Ungeduld des Herzens.

Titel: Ungeduld des Herzens. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Zweig
Vom Netzwerk:
verschollenen Jahrhunderts zunächst etwas unwirklich und maskeradenhaft an, doch gerade dies zeitigte den freundlichen Effekt, daß sich Diener und Gesinde heiter wie in Karnevalslaune bemühten, das schwerfällige Schiff der Landstraße richtig flott zu machen. Mit besonderem Eifer ölte der Maschinist der Zuckerfabrik die Räder und hämmerte prüfend am eisernen Beschlag, während, mit Sträußen wie zu einer Hochzeitsfahrt geschmückt, die vier Pferde angespannt wurden, was Jonak, dem alten Kutscher, Gelegenheit zu stolzen Belehrungen gab. Angetan mit der verblichenen fürstlichen Livree und überraschend beweglich auf seinen gichtigen Beinen, explizierte er dem jungen Gesinde, das zwar Bicycle fahren und allenfalls schon einen Motor handhaben, nicht aber einen Viererzug richtig zügeln konnte, all seine Kunstgriffe und Kenntnisse. Er war es auch, der noch gestern nachts dem Koch erläutert hatte, wie sehr bei Schnitzeljagden und ähnlichen Eskapaden die Ehre des Hauses es unbedingt erfordere, daß auch an den entlegensten Orten, in Wald und Wiese, ein Imbiß ebenso exakt und üppig serviert werde wie im Speisesaal des Schlosses. So räumte unter seiner Aufsicht der Diener damastene Tischtücher, Servietten und Silberzeug zusammen, alles in den wappengeschmückten Etuis der einstmals fürstlichen Silberkammer. Dann erst durfte der Koch, eine weißleinene Tellermütze über dem strahlenden Gesicht, den eigentlichen Proviant heranbringen, gebratene Hühner und Schinken und Pasteten, frischgebackenes Weißbrot und ganze Batterien von Flaschen, jede einzeln in Stroh gebettet, um die Fährlichkeit holpriger Landstraßen unbeschädigt zu bestehen. Als Vertreter des Kochs wurde ein junger Bursche zum Servieren mitgesandt und ihm jener Platz hinter dem Wagen angewiesen, wo in früheren Zeiten neben dem diensthabenden Lakaien in farbigem Federhut der fürstliche Läufer stand.
    Dank derlei umständlicher Aufmachung bekam schon die Zurüstung etwas heiter Theatralisches, und da sich die Kunde unserer sonderbaren Ausfahrt im Umkreis rasch verbreitet hatte, fehlte es diesem freundlichen Spektakel nicht an Zuschauern. Von den Nachbardörfern waren in ihren bunt-ländlichen Sonntagsgewändern die Bauern gekommen, aus dem nahen Armenhaus die alten verhutzelten Weiber und grauen Männlein mit ihren unvermeidlichen Tonpfeifen. Aber vor allem waren es die nacktbeinigen Kinder von fern und nah, die, vor Staunen ganz verzaubert, von den geschmückten Pferden zum Kutscher emporstarrten, in dessen vertrockneter und doch noch fester Hand das geheimnisvoll verknotete lange Zügelgewinde zusammenlief. Nicht minder begeisterte sie Pista, den alle sonst nur in der blauen Chauffeursuniform kannten, und der nun in seiner altfürstlichen Livree das silberhelle Jagdhorn schon erwartungsvoll in der Hand hielt, um das Zeichen zur Abfahrt zu geben. Dazu war allerdings nötig, daß wir gefrühstückt hatten, und als wir uns schließlich dem festlichen Fuhrwerk näherten, konnten wir nicht umhin, vergnügt festzustellen, daß wir einen bedeutend weniger feierlichen Anblick boten als die pompöse Karosse und die funkelnden Lakaien. Kekesfalva wirkte ein bißchen komisch, als er, mit seinem unvermeidlichen Schlußrock angetan, steifbeinig wie ein schwarzer Storch die mit den fremden Adelsemblemen gezierte Karosse bestieg, die jungen Mädchen hätte man sich eigentlich im Rokokokostüm zu sehen gewünscht,das Haar weiß gepudert, das schwarze Schönheitspflästerchen auf der Wange, einen bunten Fächer in der Hand, und mir selbst wäre wahrscheinlich die weißleuchtende Reitertracht von anno Maria Theresia gemäßer gewesen als meine blaue Ulanka. Doch auch ohne solche historische Kostümierung schien es den guten Leutchen schon feierlich genug, als wir uns endlich in den großen schwerfälligen Kasten setzten: Pista hob das Jagdhorn, ein heller Ton schmetterte über das aufgeregte Winken und Grüßen des versammelten Gesindes, kunstvoll schlug der Kutscher mit seiner Peitsche eine riesige Schwinge in die Luft, daß es knallte wie ein Schuß. Der erste Anriß der massigen Kutsche gab einen schönen scharfen Ruck, der uns lachend gegeneinander kollern ließ, dann aber steuerte der wackere Lenker sehr geschickt die vier Pferde durch das Gittertor, das uns von unserer weitgebauchten Karosse aus mit einmal beängstigend schmal erschien, und wir landeten glücklich auf der Chaussee.
    Daß wir viel Aufsehen, aber auch erstaunlichen Respekt auf unserem

Weitere Kostenlose Bücher