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Ungeduld des Herzens.

Ungeduld des Herzens.

Titel: Ungeduld des Herzens. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Zweig
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ist er heraufgestiefelt auf seinen wackligen Beinen, geweint hat er vor lauter Freude, daß ihm das noch einmal passiert ... Alles ist schon abgemacht, um acht Uhr kutschieren wir los ... ganz früh wird aufgestanden, und Sie bleiben natürlich hier über Nacht. Ausgeschlossen,daß Sie absagen. Sie kriegen ein nettes Gastzimmer unten, und was Sie noch brauchen, holt Ihnen der Pista aus der Kaserne herein – der wird übrigens morgen als Lakai verkleidet wie bei der Fürstin ... Nein, keine Widerrede. Sie müssen uns schon die Freude machen, unbedingt, unbedingt, da gibt's keinen Pardon ...«
    Und weiter und weiter lief das wie eine angeschnurrte Feder. Ich hörte betäubt zu, noch immer ganz benommen von der unfaßbaren Verwandlung. Völlig anders war ihre Stimme, leicht und fließend der sonst nervöse Tonfall ihres Redens, gleichsam ausgetauscht das vertraute Gesicht, überhellt das kränkliche gelbliche Inkarnat durch frische, gesündere Farbe, verschwunden das Fahrige in ihren Gesten. Eine leicht Trunkene saß da vor mir mit funkelnden Pupillen und lachend lebendigem Mund. Unwillkürlich ging dieser schwülige Rausch in mich über und lockerte wie jede Trunkenheit den inneren Widerstand. Vielleicht, täuschte ich mir vor, ist es doch wahr oder wird es doch wahr. Vielleicht habe ich sie gar nicht getäuscht, vielleicht wird sie faktisch so rasch geheilt. Glatt gelogen habe ich ja schließlich nicht oder nicht allzusehr – Condor hat doch wirklich von einer stupenden Heilung was gelesen, warum soll sie gerade bei diesem glühenden und rührend gläubigen Kinde nicht möglich werden, bei diesem sensitiven Wesen, das schon der bloße Hauch des Gesundens dermaßen beglückt und beflügelt? Warum also einen Überschwang hemmen, der sie aufhellt, warum sie mit Kleinmut quälen, sie hat sich, die Arme, doch lang genug gepeinigt. Und wie es einem Redner geschieht, daß die Begeisterung, die er mit seinem leeren Wort geschaffen, ihn im Rückschlag als wirkliche Gewalt ergreift, so drang die Zuversicht, die doch einzig durch mein mitleidiges Übertreiben entstanden, immer sieghafter in mich selber ein. Und als schließlich der Vater erschien, fand er uns insgesamt in sorglosester Laune; wirplauderten und planten, als ob Edith bereits genesen und gesundet wäre. Wo sie wieder reiten lernen könnte, fragte sie, und ob wir vom Regiment die Lektionen beaufsichtigen und ihr helfen wollten? Ja, und ob nicht jetzt schon der Vater dem Pfarrer das Geld geben solle für das neue Kirchendach, das er ihm versprochen hätte? All diese Verwegenheiten, die eine Gesundung schon als selbstverständlich antizipierten, lachte und spaßte sie mit solcher Unbekümmertheit des Herzens, daß der letzte Widerstand in mir verstummte. Und erst, als ich abends mich allein in meinem Zimmer fand, begann ein leises Erinnern von innen an die Herzwand zu pochen: ist es nicht zu überschwenglich, was sie sich verspricht? Solltest du nicht doch diese gefährliche Zuversicht lieber ernüchtern? Aber ich ließ den Gedanken an mich nicht heran. Warum mich sorgen, ob ich zuviel oder zu wenig gesagt? Selbst wenn ich viel mehr verheißen, als ich redlicherweise hätte tun dürfen – schon diese Mitleidlüge hat sie glücklich gemacht; und einen Menschen glücklich zu machen, kann nie eine Schuld oder ein Unrecht sein.
    Jener angekündigte Ausflug setzte bereits in aller Frühe mit einer kleinen Fanfare der Fröhlichkeit ein. Das erste, was ich beim Erwachen in meinem sauberen, von der hereinstrahlenden Sonne blank erhellten Gastzimmer vernahm, waren lachende Stimmen. Ich trat ans Fenster und erblickte, angestaunt vom ganzen Gesinde, den aus der Remise wohl noch zur Nachtzeit herangeholten mächtigen Reisewagen der alten Fürstin, ein herrlich antiquarisches Museumsstück, vor hundert, vielleicht schon vor hundertfünfzig Jahren vom Wiener Hofkarossier in der Seilerstätte für einen Urahnen gebaut. Das eigentliche Gehäuse der Karosse, gegen den Stoß der massigen Räder durch kunstvolle Federung geschützt, war in der Art deralten Tapeten mit Schäferszenen und antiken Allegorien ein wenig einfältig bemalt, vielleicht waren die einstmals lebhafteren Farben auch schon verblaßt. Innen verbarg die seidengepolsterte Karosse – wir hatten Gelegenheit, dies auf der Fahrt in vielen Einzelheiten auszuprobieren allerlei raffinierte Bequemlichkeiten, wie aufklappbare Tischchen, Spiegelchen und Parfümflakons. Selbstverständlich mutete dies Riesenspielzeug eines

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