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Ungeduld des Herzens.

Ungeduld des Herzens.

Titel: Ungeduld des Herzens. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Zweig
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abgenommen ... Sie können gar nicht ahnen, was das für eine Erleichterung war ... viel besser konnte ich gleich vorwärts ... ich glaube, nur diese verfluchten Klötze haben mich so gehandikapt. Nein, sowas muß anders angepackt werden, das habe ich längst gespürt ... Aber ... aber jetzt erzählen Sie mir rasch, wie ist das mit der Methode von dem französischen Professor? Muß man da wirklich wegfahren? Kann man das nicht hier machen ... Ach, ich hasse diese Sanatorien, ich verabscheue sie ... Überhaupt, ich will keine Kranken sehn! Ich hab genug an mir selber ... Also wie ist das? ... Na, schießen Sie schon los! ... Und vor allem, wie lang soll das dauern? Geht es wirklich so schnell? In vier Monaten, sagt Papa, hat er seinen Patienten geheilt, in vier Monaten, und er kann jetzt die Treppen hinauf und herunter, kann sich regen und rühren ... Das ist ... das wäre doch unglaublich!... Nun sitzen Sie doch nicht so stumm, erzählen Sie doch schon einmal! ... Wann will er anfangen und wie lang soll die ganze Sache dauern?«
    Zurückdrehen, sagte ich mir. Sie nicht in diesen wilden Wahn sich verrennen lassen, als ob schon alles gesichert wäre und gewiß. So dämpfte ich vorsichtig ab:
    »Einen bestimmten Termin ... natürlich, den kann kein Arzt von vornherein festlegen, ich glaube nicht, daß man den schon bestimmen kann ... übrigens ... Herr Doktor Condor hat nur so im allgemeinen über die Methode gesprochen ... Sie soll angeblich ganz ausgezeichnete Resultate erzielen, hat er gesagt, aber ob sie völlig verläßlich ist ... ich meine, das kann man doch nur von Fall zu Fall ausproben ... man muß jedenfalls abwarten, bis er ...«
    Aber schon hatte ihre leidenschaftliche Begeisterung meine unsichere Gegenwehr überrannt.
    »Ach was, Sie kennen ihn nicht! Aus ihm kriegt man nie etwas Bestimmtes heraus. Er ist so schrecklich übervorsichtig. Aber wenn er einmal etwas nur so halb und halb verspricht, dann klappt's von oben bis unten. Auf ihn kann man sich verlassen, und Sie wissen ja nicht, wie ich's schon nötig habe, endlich einmal fertig zu werden oder nur wenigstens eine Gewißheit zu haben, daß man fertig wird ... Geduld, sagen sie mir immer, Geduld! Aber man muß doch wissen, bis wohin und wie lang sich gedulden. Wenn mir einer sagte, er dauert noch sechs Monate und es dauert ein Jahr – gut, würde ich sagen, ich nehm's auf mich, und würde tun, was man von mir verlangt ... Aber Gott sei Dank, daß es nur überhaupt einmal so weit ist! Sie können sich nicht denken, wie ich mich seit gestern leicht fühle. Mir ist, als hätte ich überhaupt erst angefangen zu leben. Heute früh sind wir schon ausgefahren in die Stadt – nicht wahr, da staunen Sie – aber jetzt, seit ich weiß, daß ich über den Berg bin, ist es mir gleichgültig, was dieLeute reden und denken und ob sie mir nachschaun und mich bemitleiden ... Jeden Tag will ich jetzt ausfahren, um mir selbst zu beweisen, daß nun endlich Schluß wird mit dieser dummen Warterei und Gedulderei. Und morgen, Sonntag – da sind Sie doch frei – haben wir etwas ganz Großes vor. Papa hat mir versprochen, wir fahren hinaus auf das Gestüt. Seit Jahren war ich nicht dort, seit vier oder fünf Jahren ... ich wollte ja nicht mehr auf die Straße. Aber morgen fahren wir, und Sie kommen natürlich mit. Sie werden staunen, wir haben uns, Ilona und ich, eine Überraschung ausgedacht. Oder ...« – sie wandte sich Ilona lachend zu – »soll ich das große Geheimnis jetzt schon ausplaudern?«
    »Ja«, lachte Ilona, »keine Geheimnisse mehr!«
    »Also hören Sie, lieber Freund – Papa wollte, daß wir im Auto hinfahren. Aber das geht zu rasch und ist langweilig. Da hab ich mich erinnert, daß der Josef erzählt hat von der alten närrischen Fürstin – wissen Sie, der früher das Schloß da gehört hat, eine widerliche Person –, daß die immer im Viererzug hinausgefahren ist, in der großen Reisekalesche, der buntbemalten, die in der Remise steht ... Nur damit's jeder weiß, daß sie die Fürstin ist, hat sie immer den Viererzug einspannen lassen, auch bloß zum Bahnhof hinüber, sonst hat niemand so fahren dürfen weit und breit ... Denken Sie, was das für ein Spaß war, auch einmal wie die gottselige Fürstin zu fahren! Es ist ja noch der alte Kutscher da ... ach so, Sie kennen das alte Faktotum nicht, er ist längst im Ausgeding, seit wir das Auto haben; aber den hätten Sie sehen sollen, wie man ihm gesagt hat, wir wollen im Viererzug ausfahren sofort

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