Ungeheuer
holperte in der Brust wie ein defekter Motor.
Nebenan saß ein älterer Mann mit schütteren Haaren an einem der Computer und tippte.
»Hallo Friedrich.« Jo klang atemlos. »Wir sind auf der Suche nach Hubert!« Der Kollege tippte noch ein paar Sekunden weiter und sah dann hoch. Sein Blick blieb an Mark hängen, der hinter dem Fotografen im Türrahmen stehen geblieben war. »Der ist vor einer halben Stunde los.«
»Wohin?«
»Ich habe keine Ahnung. Nach Hause doch sicher.« Friedrich
fragte nicht, was die beiden Männer von dem Kollegen wollten, und beschwerte sich auch nicht, dass Jo Fremde mit in die Redaktionsräume brachte, sondern drehte sich mit seinem Stuhl wieder in Richtung Bildschirm. »Ruf ihn doch einfach auf dem Handy an.«
»Hab ich schon versucht, aber er geht nicht ran.«
»Dann kann ich auch nichts machen.« Die Finger huschten schon wieder über die Tasten. Friedrich hatte das Interesse verloren. Jo winkte Mark, ihm zu folgen, und hastete in die Redaktionsküche.
»Versuchen Sie einfach alle zehn Minuten, diesen Hubert zu erreichen.« Mark bemühte sich, ruhig ein- und auszuatmen. Sie wussten ja nicht einmal, ob Hubert überhaupt in der Lage war, eine detaillierte Beschreibung des vermeintlichen Penners abzugeben.
Jo legte das Handy auf den Tisch, nahm Platz und sprang sofort, wie ein Schachtelmännchen, wieder auf. »Was glauben Sie, was der Täter jetzt vorhat?«
»Ich denke die ganze Zeit über nichts anderes nach.« Kurz zuckte der Gedanke durch Marks Kopf, dass der Fotograf sich entschieden zu sehr um Laras Befinden sorgte, dann vergaß er ihn wieder. Er setzte sich und legte die Hände auf die Tischplatte. Seine Fingerspitzen zitterten leicht. »Es handelt sich mit Sicherheit um einen planenden Täter, der wahrscheinlich zur Kategorie der sadistischen Sexualmörder gehört, auch wenn wir keine Spuren von Vergewaltigungen gefunden haben. Solche Mörder bereiten ihre Verbrechen methodisch vor und achten darauf, keine Spuren zu hinterlassen.« Jetzt hatten Marks Finger begonnen, auf der Tischplatte einen Trommelwirbel auszuführen. Er schien es nicht zu bemerken, sondern redete einfach weiter. »Während des Tatverlaufs ist so ein Täter außergewöhnlich ruhig und emotional distanziert.«
»Das hilft uns nicht weiter.« Jo klang ärgerlich. Auch er saß nun wieder, den Rücken durchgedrückt, beide Ellenbogen auf den Tisch gestemmt, die Finger ineinander verschränkt.
»Nein, da haben Sie recht. Das einzig Positive« – Marks Hände malten Anführungszeichen in die Luft –, »wenn man das überhaupt so nennen kann, ist die Tatsache, dass ein sadistischer Sexualmörder seine Opfer oft über einen gewissen Zeitraum in seiner Gewalt behält.«
»Er tötet sie also nicht gleich.« Jo flüsterte nun. »Von welchem Zeitraum sprechen wir?«
»Stunden, einen halben Tag, einen ganzen? Genau weiß ich es nicht. Dazu müsste man den bei der Autopsie der vorhergehenden Opfer bestimmten Todeszeitpunkt mit dem Zeitpunkt ihres Verschwindens vergleichen. Und auch dann ist nicht gesagt, dass er sich bei allen gleich verhält.« Es hängt davon ab, ob er ein Interesse daran hat, Lara am Leben zu lassen. Der letzte Satz blieb unausgesprochen.
»Unabhängig von Ihren Fachkenntnissen, was glauben Sie denn, was er jetzt vorhat?«
Mark zwang seine Finger zur Ruhe und atmete durch. Es musste ihm gelingen, endlich die Gefühle abzuschalten, und seinen Sachverstand einsetzen. »Neben der sadistischen Lust am Töten und Ausweiden von Opfern hat der Täter ein außerordentlich starkes Bestreben, seine Sicht der Ereignisse an den Mann zu bringen, diese Version der Öffentlichkeit zu präsentieren. Er hat dem ersten Paket einen Brief beigefügt, weil er sich in der Presse nicht richtig dargestellt sah. Und als Ihre Zeitung seine ›Gegendarstellung‹ nicht abgedruckt hat, hat er einen Tag später die nächste Nachricht geschrieben und am Tag darauf erneut ein Päckchen, wieder mit einem abgetrennten Kopf und einer Mitteilung, an die Tagespresse geschickt.
Drei Botschaften in drei Tagen! Und Ihr Blatt hat nichts davon veröffentlicht!«
»Ich denke, er wendet sich jetzt aufs Neue an die Medien: Zeitungen, Radio, Fernsehsender.« Jos Augen waren dunkel.
»Das nehme ich ganz stark an. Sein spezielles Feindbild ist jedoch mit Sicherheit die Tagespresse .«
»Könnte es sein, dass er versuchen wird, die Richtigstellung noch einmal in unsere Zeitung zu bringen?«
En paar Sekunden vergingen, in denen sich
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