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Ungeheuer

Ungeheuer

Titel: Ungeheuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Puhlfürst
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geblättert.
    »Gehen Sie in die Redaktion. Befragen Sie die Kollegen über Laras letzte Aktivitäten, worüber sie geschrieben hat, mit wem sie über was geredet hat. Vielleicht ergeben sich noch brauchbare Anhaltspunkte.«
    Jo kritzelte ein paar Stichpunkte in ein kleines Heft, dann machten sich die beiden Männer, geplagt von verhängnisvollen Vorahnungen, auf den Weg. Mark klopfte an der immer
noch halb geöffneten Wohnungstür der Nachbarwohnung, um den Schlüssel zurückzugeben. Die alte Frau war hochzufrieden über die ihr zugedachte bedeutsame Rolle der Späherin. Sie versprach hoch und heilig, sich sofort an ihr Fenster zu setzen und sich nicht mehr von der Stelle zu rühren, bis Mark sie anrief. Sie würde alles beobachten, was draußen passierte, und auch die Vorgänge im Haus registrieren.
     
    »Er hat sich zumindest alles angehört.« Mark sah noch einmal das versteinerte Gesicht des Kriminalkommissars vor sich.
    »Und, werden die etwas unternehmen?« Jo studierte die Karte und legte sie wieder auf den Tisch. Seine Kehle war zugeschnürt. Schon wieder saßen sie in einem dieser Cafés herum. Nur dass es inzwischen später Nachmittag war. Die Sonne war herausgekommen. Das grelle Licht passte nicht zu ihrer Stimmung.
    »Ganz bin ich nicht daraus schlau geworden. Sie werden meine Angaben überprüfen, hat er gesagt. Ich denke, ich habe zwar seinen Argwohn geweckt, aber so richtig hat er nicht angebissen. KK Stiller hält nicht besonders viel von der Mitarbeit externer Psychologen, das ist mir schon früher aufgefallen. Er ist ein sehr konventioneller Mann. Es gäbe für ihn und die Kollegen ›wichtigere Dinge‹ zu tun. Ich glaube, Stiller will sich nicht in die Karten gucken lassen, schon gar nicht von uns. Er will aber mit der Soko Kontakt aufnehmen.«
    » Wann wollen die das denn dann prüfen?«
    »Das hat er nicht gesagt.« Marks Magen fühlte sich wie ein kleiner harter Klumpen an. »Ich hoffe doch, noch heute. Die Polizei hat zahlreiche Möglichkeiten, etwas herauszufinden, die wir nicht haben. Die Ortung eines Handys zum Beispiel funktioniert auch, wenn es ausgeschaltet ist. Dazu muss man aber dem Netzbetreiber eine richterliche Verfügung präsentieren.
Und das geht nur, wenn die Polizei einen Staatsanwalt beauftragt, der sich dann mit einem Richter in Verbindung setzt. Davon einmal abgesehen dauert das auch seine Zeit.« Mark holte tief Luft und fuhr dann fort. »Haben Sie in der Redaktion etwas herausgefunden?«
    »Etwas kam mir im Nachhinein seltsam vor. Die ganze Zeit überlege ich schon, wie dieser Typ gerade auf Lara gekommen ist. Hubert… « Jo sah kurz zu Mark. Der nickte zum Zeichen, dass er wusste, wer das war, »… hat mir noch einmal von Freitagnachmittag erzählt, als dieser Penner das zweite Paket abgegeben hat. Es sei ihm erst hinterher bewusst geworden, aber er habe dem Typen durch eine unbewusste Geste einen Hinweis gegeben, dass Lara ›LB‹ sei. Das erklärt zwar noch nicht, wie der Mörder dann davon erfahren hat, aber wenn wir diesen Penner finden könnten…« Jo sprach langsamer und hielt dann inne, während seine Augen sich weiteten. Im gleichen Augenblick streckte Mark das Kinn vor, hob die Hand und flüsterte: »Was, wenn das am Freitag gar kein Penner war?«

32
    Lara spürte, wie ihr Schluchzen allmählich verebbte. Sie leckte sich salzige Tränen von der Oberlippe. Auf ihren Wangen trockneten die Rinnsale. Was auch immer da geraschelt haben mochte – ein Mensch war es nicht gewesen. Niemand hatte auf ihr Schreien reagiert, geantwortet oder gar nachgesehen. Sie war ganz auf sich allein gestellt.
    Das Lichtmuster war inzwischen vom Boden in Richtung ihres Rollstuhls gewandert. Die Sonne sank. Es war Abend
und nicht Morgen, und das hieß, es würde nicht mehr lange dauern, bis die Dunkelheit hereinbrach und ihrem Gefängnis den nachtschwarzen Mantel überwarf.
    Sie musste sich beeilen. Noch immer unschlüssig, ob ruckhaftes Bewegen oder Umfallen und seitliches Kriechen besser seien, beschloss Lara, es zuerst im Sitzen zu versuchen. Sich mitsamt dem Gefährt auf die Seite fallen lassen konnte sie danach immer noch. Nach einem kurzen Augenblick der Besinnung presste sie sich, so weit es ging, in den Sitz zurück, spannte alle Muskeln an und begann dann, ihren gesamten Körper nach vorn zu stoßen. Der Rollstuhl tat einen kleinen Satz, und Lara wiederholte die Bewegung. Noch ein Hopser. Es funktionierte! Schrilles Kichern entfloh ihrem Mund und wirbelte durch den Raum.

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