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Ungeheuer

Ungeheuer

Titel: Ungeheuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Puhlfürst
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Augenwinkeln. Nur dass jetzt keine anderen mehr da waren. Der Kerl war allein mit Ann-Kathrin.
    Draußen wärmte die Abendsonne. Vögel zwitscherten auf den Spitzen der Bäume. Lisa zog die Zigaretten hervor und vergaß ihre Bedenken.
    Vor dem Haus war kein einziger Parkplatz frei. Kein Wunder, die meisten Anwohner kamen auch viel eher von der Arbeit als sie. Lara fuhr ein zweites Mal um den Block und quetschte ihren Mini zwischen zwei identisch aussehende VW. Die Sonne war bereits hinter den Dächern verschwunden. Gelbrosa Linien teilten den dunkler werdenden Himmel in breite Streifen.
    Oben angekommen, öffnete Lara den Kühlschrank. Salatblätter wellten sich in einer Plastikschüssel unter labbrigen Tomatenscheiben. Betrübt betrachtete sie die eingetrockneten Maiskörner darüber und warf den gesamten Inhalt der Schüssel dann mit Schwung in den Mülleimer.
    Seit Peter beschlossen hatte, sein Leben mit einer anderen zu verbringen, gab es in Laras Haushalt kaum noch geregelte
Mahlzeiten. Natürlich konnte sie kochen, aber was hatte das für einen Sinn, wenn niemand da war, dem das Essen schmeckte.
    Und dann fehlte ihr auch einfach die Lust, sich allein an einen schön gedeckten Tisch zu setzen und sich selbst zuzuprosten. So war es in den letzten Wochen bei schnell hinuntergeschlungenem Fastfood geblieben, das die Geschmacksknospen, ohne Spuren zu hinterlassen, passierte. Lara dachte an die Abende mit Peter. Es schmerzte noch.
    Im Kühlschrank gammelten noch drei Joghurtbecher mit abgelaufenem Verfallsdatum neben einer gelblichen Gurke und eingeschweißtem Leberkäse vor sich hin. Lara entsorgte Joghurtbecher und Gurke. Mochten sie dem verwelkten Salat Gesellschaft leisten. Hinter dem Leberkäse hatte sich noch ein Grießpudding versteckt. Ansonsten – gähnende Leere. Sie nahm die Weinflasche und ein Mineralwasser aus der Tür und mixte sich eine Schorle. Auf dem Weg ins Wohnzimmer fiel ihr Blick auf den Flurspiegel. Schlank war sie noch immer, trotz all des Kuchens am Nachmittag. Seltsam. Es würde trotzdem nichts schaden, heute auf das späte Essen zu verzichten.
    Auf dem Handyetui klebte ein kleiner gelber Zettel: »Mark anrufen«.
    Das hätte sie fast vergessen. Schlagzeilen flammten in Laras Kopf auf und erloschen wieder.
    Vermisste Frau aus Neustrelitz tot aufgefunden!
Nackte Leiche verstümmelt und ausgeweidet!
Tote Frau ist vermisste Susann W. aus Wernigerode …
…wurde zuerst gewürgt, danach wurden ihr Schnittverletzungen zugefügt…

    Lara stellte das Glas ab und holte ihr Notizbuch. Sie hatte, nachdem die Artikel für morgen fertig waren, den gesamten Rest der Spätschicht damit verbracht, nach Informationen über die Leichenfunde zu suchen und diese miteinander zu vergleichen. Fein säuberlich standen die Angaben untereinander auf dem karierten Papier.
    Sandra Gerber – das erste Opfer – war am Sonntag, dem 26. Juni gefunden worden. Der Tod musste zwischen Freitag, dem 17. und Samstag, dem 18. eingetreten sein, so hatte man festgestellt. Zuletzt lebend gesehen worden war die junge Frau am Nachmittag des 17. Juni.
    Neben den Daten hatte Lara in Druckbuchstaben notiert: Albtraum Jagd: Freitag oder Samstag (17./18.6.).
    Genauer wusste sie es nicht, aber es war an einem Wochenende gewesen. Sie erinnerte sich, dass sie am nächsten Morgen hatte ausschlafen können.
    Die Leiche des zweiten Opfers, Susann Weiß, war am gestrigen Dienstag von einem Förster entdeckt worden. Verschwunden war sie jedoch auch an einem Freitagabend. Letzten Freitag, am 31.6.
    Auch hier hatte Lara lange nachdenken müssen, wann die Albtraumfetzen sie um den Schlaf gebracht hatten. Schließlich war es ihr wieder eingefallen. En riesiger gelber Mond hatte zum Fenster hereingeblendet und sie hypnotisiert. Im Kalender war der große runde Mond am vergangenen Freitag eingezeichnet, am Freitag, dem 31.6. – in der gleichen Nacht, in der Susann Weiß verschwunden war.
    Lara schaute auf die tonlos flimmernden Fernsehbilder und nahm einen Schluck Weinschorle. Hatte sie im gleichen Augenblick vom Tod der Opfer geträumt, als diese sterben mussten?
    Sie erinnerte sich daran, dass sie als Sechsjährige im Gesicht
der greisen Nachbarin einen Totenschädel erblickt und die ganze Nachbarschaft zusammengeschrien hatte, bis ihre Mutter der Hysterie durch eine Ohrfeige ein Ende bereitet hatte. Niemand hatte die Halluzinationen des Kindes ernst genommen, auch nicht, als die Alte einen Tag später friedlich in ihrem Bett entschlafen

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