Ungeheuer
was passiert ist?«
»Lisa!« Es klang streng.
»Außerdem brauche ich ein Skript von vorgestern. Ann-Kathrin hatte es heute vergessen, als wir in der Bibliothek waren.«
»Und?« Paul nuckelte an seiner Flasche.
»Ich dachte, wir könnten vielleicht schnell mal zu ihr rüberfahren.«
»Jetzt?«
»Ja. Bitte, Paul!«
»Ich hab schon drei Bier getrunken!«
»Wenn du mich fahren lässt …« Lisa legte den Kopf schräg und machte ihren Schmollmund. Normalerweise ließ Paul niemanden ans Steuer seines Autos. »Bitte.« Zur Unterstützung ihres Wunsches streichelte sie ihm über den Kopf. »Ich komme sonst den ganzen Abend nicht aus dem Grübeln raus.«
»Meinetwegen.« Paul nahm noch einen Schluck. »Dann aber gleich.«
Sie erhoben sich gleichzeitig. Im Flur war es finster. Paul tappte zum Lichtschalter. Direkt neben Lisas Kopf schepperte die Türklingel. Sie schrie auf und ließ den Autoschlüssel fallen. In der gleichen Sekunde flammte das Licht auf. Paul nahm den Hörer von der Wand, blaffte ein »Hallo?«, lauschte, grinste Lisa an und drückte auf den Knopf der Wechselsprechanlage. »Komm hoch!«
»Wer …?«
»Dreimal darfst du raten!«
»Ann-Kathrin?«
»So ist es!«
Lisa spürte ihren Herzschlag bis in den Hals hinauf. Paul öffnete die Tür. Schnelle Schritte näherten sich. Dann bog Ann-Kathrin um die Ecke, wedelte atemlos mit einem Hefter. »Das Skript! Ich dachte, ich bringe es dir noch schnell vorbei, weil wir uns doch morgen nicht sehen!«
»Wir wollten gerade zu dir fahren. Lisa hat sich Sorgen gemacht.« Paul schloss die Tür und ging zurück ins Wohnzimmer. Jetzt konnte er in Ruhe sein Bier genießen.
»Sorgen? Warum das denn?«
»Weil du nicht ans Telefon gegangen bist. Ich konnte dir nicht mal was auf die Mailbox sprechen!«
»Das hab ich doch glatt verpeilt!« Ann-Kathrin kramte in ihrer Umhängetasche. »Ich hatte es in der Bibliothek ausgeschaltet und vergessen, es wieder anzumachen.« Sie drückte ein paar Knöpfe und betrachtete das Display. »Robert hat auch versucht, mich zu erreichen!«
»Wo ist der eigentlich?« Paul saugte den letzten Schluck aus der Flasche. Er fühlte sich beschwingt.
»Mit Kumpels weg. Mittwoch ist doch sein Männerabend.«
»Bist du gelaufen? Allein?« Lisa betrachtete die geröteten Wangen ihrer Freundin.
»Klar. Es ist toll draußen. En schöner lauer Sommerabend.«
»Dass du dich nicht fürchtest! Es ist doch schon fast dunkel.«
»Lisa, wir sind mitten in der Stadt! Was soll denn da passieren?«
Lisa hob die Schultern. »Man hört so viel.«
»Wollen wir noch auf ein Gläschen ins Boudoir gehen?« Paul war aufgestanden und räumte die Flaschen weg. Das Boudoir war die Studentenkneipe um die Ecke.
»Von mir aus gern. Was Robert kann, kann ich schon lange. Und ich hab morgen Vormittag keine Vorlesungen.« Ann-Kathrin verstaute ihr Handy. »Lisa?«
Die Freundin nickte. Ihre innere Unruhe war noch immer nicht ganz abgeflaut.
Paul zählte das Geld ab und reichte es über die Theke. Gemurmel vermengte sich mit dem Pianojazz aus den Lautsprechern. Er schob sich durch die Massen zur Tür, suchte dabei nach seinen Zigaretten. Lisa und Ann-Kathrin standen in einem Pulk von Leuten um einen meterhohen Standaschenbecher herum.
»Fünfzehn Euro dreißig. Hab siebzehn gegeben.« Paul ließ das Feuerzeug aufflammen.
Der Schein der kleinen runden Außenlampen spiegelte sich in den schwarzen Scheiben der geparkten Autos wider. Hinter ihnen wurde ein Motor angelassen, doch die drei achteten nicht darauf. Zigarettenrauch verwirbelte in Schwaden nach oben in den sternenklaren Himmel.
»So, ihr zwei Süßen. Macht’s gut.« Ann-Kathrin umarmte zuerst Paul und dann ihre Freundin. »Wir sehen uns übermorgen im Kino!«
»Wir können auch noch bis zu deinem Haus mitlaufen.«
»Nicht nötig. Ist ja nicht weit.«
»Komm gut nach Hause!« Lisa hob die Hand und sah
ihrer Freundin nach. Die Straßen waren inzwischen fast menschenleer. Über ihnen schaukelte ein halber Mond. Ann-Kathrins Absätze klapperten. Ihre sich schnell entfernende Gestalt wurde abwechselnd von der Dunkelheit verschluckt und dann wieder von den Lichtinseln der Laternen hervorgehoben. En Ford Mondeo näherte sich von hinten, fuhr gemächlich an ihnen vorbei.
»Na los jetzt.« Paul zog an Lisas Arm. »Mir wird allmählich kalt. Ann-Kathrin wird den Heimweg, auch ohne dass du ihr nachschaust, finden.«
An der übernächsten Kreuzung bog die Freundin um eine Ecke und war
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