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Ungeheuer

Ungeheuer

Titel: Ungeheuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Puhlfürst
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verschwunden. Lisa löste sich aus ihrer Erstarrung.
Das Unbehagen von vorhin war zurückgekommen und rumorte in ihrer Brust. Paul gähnte. Der silberne Ford erhöhte die Geschwindigkeit und bog dann ebenfalls rechts ab.
    Lisa gähnte auch und verscheuchte das unheimliche Gefühl.
    Vorsichtig steuerte der Mann sein Auto durch die nächtlichen Straßen, immer bemüht, nicht aufzufallen. Vor ihm lief die kleine Studentin. Sie trug einen Zopf, der bei jedem Schritt wippte. Jedes Mal, wenn sie in den Lichtkegel der Straßenlaternen kam, leuchtete das Haar orange auf. Er stellte sich Mondlicht anstatt des künstlichen Scheins vor und dass die Haare offen hinter ihr herwehten. Das Bild erregte ihn sofort.
    Er überlegte, ob er sie überholen sollte, verwarf den Gedanken aber schnell wieder. Wenn sie bis jetzt noch nicht auf den Ford aufmerksam geworden war, musste man dies nicht extra provozieren. Seine Lippen spitzten sich zu einem tonlosen Pfeifen.
    Wie gut, dass er vorhin vor dem Haus gewartet hatte! Nach dem Bibliotheksbesuch, der mit allerlei Scherereien verbunden gewesen war, weil ihn die Schickse an der Anmeldung erst umständlich ein Besucherformular hatte ausfüllen lassen, war er der Kleinen gefolgt, bis sie in einem Gründerzeithaus verschwunden war. Zum Glück hatte die Bibliothekstussi nicht nach seinem Ausweis gefragt. Er würde sich für solche Fälle etwas einfallen lassen müssen.
    Nach zwei Stunden erfolglosen Wartens vor dem stuckverzierten Haus hatte er schon aufgeben wollen, als die Kleine plötzlich, gerade so, als hätten seine Fantasien sie herbeigerufen  – wieder erschienen war. Ihr kleiner Apfelhintern schwenkte beim Laufen von links nach rechts. So wie jetzt
auch. Nur dass sie momentan schneller lief als vor drei Stunden auf dem Weg zu ihren beiden Freunden. Als sie vorhin die Tür zum Studentenwohnheim öffnete, hatte er zum dritten Mal an diesem Tag die Jagd beenden wollen, aber irgendeine Vorahnung befahl ihm, sich zu gedulden, hatte ihm eingeflüstert, dass das Glück ihm noch hold sein werde.
    Und so war er weitere zwei Stunden in seinem Auto sitzen geblieben, den Kopf an die Nackenstütze gelehnt, die Augen halb geschlossen. Vor der Kneipe war reges Treiben, ständig kamen Leute heraus, um zu rauchen, und gingen anschließend wieder hinein; entlassen und empfangen vom Getöse, das aus der geöffneten Tür schwappte.
    Dann endlich war seine Kleine wieder aufgetaucht und hatte sich mit ihren beiden Freunden auf den Heimweg gemacht. Und wie die allwissende Stimme es ihm eingeflüstert hatte, so war es geschehen. Rosenrot war mit ihrem Freund in Richtung Wohnheim abgebogen, und Schneeweißchen war allein weitergegangen.
    Der Mann konnte im feinen Summen des Motors seine Atemgeräusche hören. Sein Herz trommelte, während die junge Frau vor ihm, nichts ahnend von den Abenteuern, die sie bald erwarteten, ihrem Wohnhaus zustrebte.
    Jetzt bog sie links ab.
    Er gab ein wenig mehr Gas und lenkte den Wagen geräuschlos um die Ecke. Die Finger der Linken lässig in die Lenkradspeichen eingehängt, tastete die rechte Hand auf dem Beifahrersitz nach dem Taser, der unter einem Jackett auf seinen Einsatz wartete. Er würde schnell handeln müssen. Die Geschichte mit der Suche nach der Arztpraxis und dem Stadtplan mochte bei Tag funktionieren, in der Nacht war sie nutzlos.
    Sein Atmen beschleunigte sich. In wenigen Minuten würde
die kleine Prinzessin ihren Eingang erreichen. Wenn sie noch so weit kommen würde.
     
    Im Schritttempo rollte der Ford lautlos über das Pflaster. Die blonde Prinzessin näherte sich ihrem Wohnhaus. Seine rechte Hand rutschte über den Beifahrersitz und tastete dabei unter der Jacke nach dem Elektroschocker. Schon von weitem erspähte er die Parklücke direkt vor ihrem Eingang, wie geschaffen für sein großes Auto.
    Jetzt kam der schwierige Teil. Er musste schnell sein, sie überholen und vor ihr einparken. Und das alles, ohne dass es jemandem auffiel. Noch einmal sah er sich um. Die Gehwege waren menschenleer, die Fenster der Gründerzeithäuser dunkel.
    Natürlich konnte man nie ausschließen, dass nicht hinter den Gardinen ein Schlafloser auf die Straße starrte, aber gerade die latente Gefahr machte den Reiz der Jagd aus. Und er musste diese Kleine unbedingt haben. Noch keine vor ihr war ihm so vollkommen erschienen. Außerdem war er gut präpariert  – falsche Kennzeichen am Auto, dunkle Kleidung, die Baseballkappe beschattete sein Gesicht.
    Die kleine Studentin hatte

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