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Ungeheuer

Ungeheuer

Titel: Ungeheuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Puhlfürst
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oder träumten mit geschlossenen Augen, den Kopf zurückgelehnt.
    »Stell dir mal vor, du gehst im Wald spazieren und findest plötzlich eine Leiche!« Robert schien die Szene zu durchleben. Seine Augen leuchteten.
    »Ich will mir das gar nicht vorstellen.« Lisa suchte nach ihren Zigaretten.
    »Ich frage mich, was sie mit ›mehrere Schnittverletzungen‹ meinen.« Robert wollte das Thema anscheinend noch nicht beenden.
    »Das ist doch wohl klar!« Paul zog eine Fratze und stach mit einem imaginären Messer zu. »Zisch! Und zisch! Wie bei Scream !« Paul liebte Horrorfilme. »Der hat die natürlich voll abgeschlachtet. Ich seh das richtig vor mir, wie der Typ dem
Mädchen die Machete in den Bauch rammt. Zisch!« Wieder sauste das imaginäre Messer durch die Luft.
    »Du bist unmöglich.« Robert grinste, während Lisa ihrem Freund mit dem Zeigefinger an die Stirn tippte. »Spinner.«
    »Wir könnten mal wieder ins Kino gehen! Es läuft grad ein schicker Film. Ich hab die Vorschau gesehen. Viel Blut!« Pauls Arm sank herab und landete auf Lisas Schultern. »Wie wäre es am Freitag? Vorher können wir ja noch was trinken gehen.«
    »En Horrorfilm?« Ann-Kathrin nahm sich eine Zigarette aus der Schachtel, die ihre Freundin ihr vor die Nase hielt. »Nur wenn ihr mich anschließend noch nach Hause bringt.«
    »Ich bringe dich, wohin du willst.« Robert machte es Paul nach und umfasste Ann-Kathrins Schultern.
    »Ich mag eigentlich keine Horrorfilme.« Lisa spitzte die Lippen. Aus ihrem Mund kam ein perfekter Rauchring.
    »Wir sind doch bei dir.« Paul liebte es zu sehen, wie sich die Mädels fürchteten. Das machte ihn automatisch zu ihrem Beschützer. Und schließlich war es nur ein Film, sonst nichts.
    »Na gut.«
    »Abgemacht!« Die Jungs klatschten die Handflächen gegeneinander. Lisa warf die Zeitung in den Papierkorb.
     
    »Ich muss mal aufs Klo. Bin gleich wieder da.« Lisa erhob sich vorsichtig und verschwand zwischen den Regalen.
    Ann-Kathrin löste den Blick von ihren Notizen und musterte den Bücherstapel vor sich. Das würden sie im Leben nicht schaffen. Manchmal wünschte sie sich, alles so locker sehen zu können wie die Jungs. Die kamen gar nicht auf den Gedanken, ganze Nachmittage in der Bibliothek zu verbringen, um Sekundärliteratur durchzuforsten. Ihnen reichte das, was die Suchmaschinen ausspuckten. Jungs waren wahrscheinlich generell gelassener. Sie sah sich um. Der Raum war
fast leer. An der Seite hockte ein dünnes Mädchen mit krummem Rücken an einem Computerarbeitsplatz und starrte unbeweglich auf den Monitor. Und ganz weit hinten, an der großen Fensterfront, saß noch ein einzelner Mann.
    Lisa kam zurück und setzte sich neben ihre Freundin. »Wie lange willst du eigentlich machen?« Ihr Flüstern wurde durch die Stille irgendwie verstärkt. Der Mann am Fenster neigte den Kopf noch etwas weiter über den Tisch. Seine Haare waren so kurzgeschoren, dass die Kopfhaut durchschimmerte.
    »Ich muss das hier« – Ann-Kathrin legte ihre Hand kurz auf das blau eingebundene Bach – »und wenn ich es schaffe, auch das hier« – die Hand zeigte zum nächsten Wälzer – »noch durchsehen. Zwei Stunden?«
    »Bis um sieben? Puh. Mal seh’n, ob ich so lange durchhalte.«
    »Es macht mir nichts aus, wenn du eher gehst.«
    »Na, mal schauen.« Lisa griff nach ihrem Block und ging ihre Aufzeichnungen durch.
     
    »Mist!« Lautes Poltern zog die Aufmerksamkeit der beiden Mädchen auf sich. Das knochige Mädchen hatte sich hingekniet und sammelte, Entschuldigungen murmelnd, die Bücher vom Boden wieder ein. Beim Aufrichten schwankte sie hin und her. Ihr schmaler Körper schien sich unter der Last zu biegen, und Lisa sah die Wälzer schon erneut zu Boden rutschen, aber die Knochige schaffte es wider Erwarten doch bis an den Tresen.
    »Hör mal, Süße.«
    »Ja?« Ann-Kathrin sah hoch und fand, dass Lisas Augen hier drin fast schwarz aussahen.
    »Ich kann nicht mehr. Nimmst du es mir übel, wenn ich schon losziehe?«

    »Nein, geh ruhig. Kein Problem.«
    »Ich ruf dich nachher an.«
    »Fein. Bis dann. Grüß Paul von mir.«
    »Mach ich.« Lisa ging.
    An der Fensterfront drehte sie sich noch einmal um und winkte ihrer Freundin zum Abschied zu. Der Kahlkopf saß noch immer hinter seinem Bücherstapel. Er sah gar nicht aus wie ein Student.
    Lisa sprang die Treppen hinunter und dachte, dass der Typ irgendwie eigenartig gewirkt hatte, so als beobachte er die anderen in der Bibliothek die ganze Zeit aus den

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