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Ungeschoren

Ungeschoren

Titel: Ungeschoren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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Tragegurt ab.
    »Bist du sicher, dass es in Ordnung ist?«
    »Es war so gemütlich beim letzten Mal. Zu wem wollt ihr?«
    »Dozent Ragnar Lööf«, sagte Sara mit einem kleinen Kichern. »Ein Pharmakologe, der mit einer Biochemikerin namens Lisa verheiratet ist und mit vier sehr dicht aufeinander geplanten Töchtern zwischen fünf und neun Jahren in einem Haus in Råsunda lebt.«
    »Und?«, sagte Lena spursicher, während sie sich den Tragegurt umband.
    »Was ›und‹?«, kicherte Sara und half ihr.
    »Ich ahne eine erotische Vergangenheit. Denk daran, wer ich bin.«
    »Wir waren vor langer Zeit lange zusammen. Ich wollte Jorge mit meiner verborgenen Vergangenheit bekannt machen.«
    »Er schien richtig wütend zu sein.«
    »Über Kreuz mit Paul, glaube ich«, sagte Sara und schnitt eine Grimasse. »Und ich kann nicht anders als ihm recht geben. Die Internleute und ihre Geheimniskrämerei.«
    »Hoffentlich kann er es vergessen«, sagte Lena. »Es ist doch Mittsommer.«
    »Und du willst zu Hause sitzen und mit einem Säugling herumdrucksen.«
    »Herumdrucksen ist wohl nicht das richtige Wort«, meinte Lena Lindberg vielsagend.

36
     
    Paul Hjelm war so aufgewühlt, wie er es sich nie hätte vorstellen können. Er hatte geahnt, dass eine Entladung unausweichlich war, dennoch war er nicht darauf vorbereitet, mit welcher Wucht sie ihn traf. Wenn dies das Werk eines Menschen war, dann hatte der ins Schwarze getroffen. Auf unheimliche Weise ins Schwarze getroffen. Mitten ins Herz.
    Die Abschriften seiner Gespräche mit den Menschen im Umkreis des Majls lagen ausgebreitet vor ihm auf dem Schreibtisch.
    Das alles zu ordnen …
    Dennoch drang durch die Erregtheit etwas zu ihm vor. Ein nüchterner, klarer Ton inmitten der chaotischen Dissonanzen.
    Ein immer klareres ›Nja‹.
     
    Jorge Chavez saß im Übungslokal. Es war der Nachmittag eines verregneten Mittsommerabends, und er saß wie ein saumseliger Teenager allein in einem schäbigen Übungslokal in Vasastan. Er war von einer Enttäuschung erfüllt, die an Trauer grenzte, und er versuchte, sie wegzuspielen. Sie waren alle da, im Geiste: der Gitarrist Johan, der Bandleader, das Tongenie Jonte, der brillante Trommler Stickanpickan, der Keyboardkasper Erik und Sänger-Robin mit Stings Halbfalsett. Die andere Sting-Hälfte erklang in voller Lautstärke. Der Bass.
    King of Pain.
    Er summte leise, während der Bass in voller Lautstärke dröhnte. ›There’s a little black spot on the sun today / That’s my soul up there / It’s the same old thing as yesterday / That’s my soul up there / There’s a black hat caught in a high tree top / That’s my soul up there / There’s a flag pole rag and the wind won’t stop / That’s my soul up there.‹ Und dann der Refrain: ›I have stood here before in the pouring rain / With the world turning circles running round my brain / I guess I’m always hoping that you’ll end this reign / But it’s my destiny to be the king of pain.‹
    Die Basstöne verhallten. Dann schneidende Stille. Zerstreut hob er etwas vom Boden auf. Ein längliches Lederfutteral. Stickanpickans verdammtes Trommelstockfutteral. Er befingerte es einen Moment. Abwesend.
    Da klingelte sein Handy.
     
    Nja.
    Jorges ›Nja‹. Nicht sein Schimpfen, nicht sein ›Ich habe gerade verdammt viel über dich und dein verschlossenes Gehirn erfahren‹, sondern gerade dieses ›Nja‹. Uninteressiert, gleichgültig. Wann? In welchem Zusammenhang?
    Es war, als Paul gesagt hatte: ›Soweit ich gehört habe, hast du eine Reihe von Größen da hochbekommen.‹
    Hätte er ›nja‹ gesagt, wenn er tatsächlich die Brüder Marsalis und Kenny Kirkland ins kleine Majls nach Sundsvall geholt hätte? Die besten Jazzmusiker seiner Generation? Die mit seinem Helden Sting zusammenspielten?
    Wer hatte das behauptet?
    Hjelm wühlte in den vor ihm ausgebreiteten Papieren, während er gleichzeitig auf dem Handy eine wohlbekannte Nummer eintippte.
    Jorge Chavez betrachtete das klingelnde Handy. Widerwillig. Das Display zeigte ›Nummer unbekannt‹. Es konnte Sara von irgendeinem Telefon auf der Arbeit sein. Er musste wohl oder übel mit zu diesem Lööf oder Rööf oder wie er nun hieß. Irgendein ehemaliger Verlobter.
    Während er sich meldete, stellte er sich vor, er besuchte mit Sara alle seine alten Groupies. Damit würde er sich beliebt machen.
    »Leg nicht auf«, sagte Paul.
    Chavez nahm das Telefon vom Ohr und starrte es an.
    King of Pain.
    »Leck mich«, sagte er aus der

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