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Ungeschoren

Ungeschoren

Titel: Ungeschoren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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den Motor an.
    Bald war Mittsommer.

8
     
    Sie trat ein.
    In ihr neues Leben.
    Man betrachtete sie – skeptisch?
    Nein, trotz allem nicht skeptisch. Abwartend vielleicht. Oder sogar gespannt.
    Vielleicht nur neutral. Als wäre die Neutralität eine dem Raum eigene Qualität. Als hätte der pensionierte Kriminalkommissar Jan-Olov Hultin, dieser Filou, sie der Kampfleitzentrale vererbt. In direkter Erbfolge.
    Sie nickte leicht, als sie mit dem achtjährigen Anders an der Hand an ihnen vorbeiging.
    Zuerst Gunnar Nyberg und Sara Svenhagen, zusammen mit der Neuen, Lena Lindberg, eine kleine Clique für sich. Kriminalkommissarin Kerstin Holm betrachtete die Konstellation und befand, dass alles gut war.
    Dann Viggo Norlander und Arto Söderstedt. Sie sah die beiden an und wusste, dass alles – wenn nicht gut, so auf jeden Fall unverändert war. Und das war gut genug.
    Ganz vorn saß der dürre Jon Anderson, allein. Er sah auf stramme Weise traurig aus. Sie betrachtete ihn und befand, dass alles – nicht gut war.
    Wie viel Zeit sollte sie ihm geben?
    Und wie viel Zeit würde ihr selbst gegeben?
    Während sie einen Extrastuhl für Anders heranzog, erschien ihr das Auditorium wie ein Schlachtfeld nach einer entscheidenden Schlacht gegen die Hunnen.
    Oder wie die Ruine eines ehedem großartigen Bauwerks.
    Kein Hjelm, kein Hultin, kein Chavez – und keine Holm.
    Wer war sie, das Gebäude wieder aufzubauen?
    Kerstin Holm, dachte sie und nahm Platz auf Hultins eingesessenem Stuhl. Und meine Stärke ist, dass ich nicht so tun will, als wäre ich jemand anderes.
    Sie sagte langsam: »Die Spezialeinheit für Gewaltverbrechen von internationalem Charakter beim Reichskriminalamt.«
    Weiter nichts. Sie betrachteten sie.
    Schließlich fuhr sie fort: »Was heißt das eigentlich? Gewaltverbrechen von internationalem Charakter? Ist das nicht eine ziemlich zweideutige Bezeichnung? Gibt es denn Verbrechen von schwedischem Charakter? Im Vergleich zu einem internationalen? Was für eine Einheit sind wir?«
    »Eine gute Einheit«, sagte Arto Söderstedt.
    »Selbstredend«, sagte Kerstin und lächelte kurz. Arto, dieser Schlumpf.
    »Ich habe mir tatsächlich genau diese Frage gestellt«, sagte Lena Lindberg. »Weil ich gerade anfange. Wie sind die Aufgaben definiert?«
    »Ist es nicht einfach eine Umschreibung für ›neu‹?«, sagte Gunnar Nyberg, der zu seiner Verwunderung Diskussionen dieser Art inzwischen mochte. Die Grundsatzdiskussionen, die die fundamentalen Probleme und die prinzipiellen Fragen betrafen. Und an allem war Ludmila schuld, die Intellektuelle von internationalem Charakter. Manchmal spürte Gunnar Nyberg die großen Veränderungen in seinem Leben rein körperlich. Wie Wachstumsschmerzen. Zu schnell zu große Veränderungen in den letzten Jahren. Vom schwedischen Meister im Bodybuilding und explosiven Bereitschaftsbullen zum übergewichtigen Chorsänger mit zerschmettertem Gewissen darüber, als Folge des Missbrauchs von anabolen Steroiden Frau und zwei kleine Kinder aus dem Haus getrieben zu haben, hin zum gutmütigen mehrfachen Großvater und feurigen, durchtrainierten Liebhaber einer russischen Dozentin für slawische Sprachen mit Träumen von einem kleinen Haus am Mittelmeer. Egal, wo.
    »Wie meinst du das?«, sagte Kerstin Holm.
    »So antworten nur Therapeuten«, entgegnete Nyberg fröhlich.
    Holm setzte eine Miene der Verwunderung auf und musste sich eingestehen, dass er recht hatte. Sie kopierte ihren eigenen Therapeuten. Vermutlich ein Zeichen, das nichts Gutes verhieß.
    »Gewaltverbrechen neuer Art«, verdeutlichte Nyberg.
    »Sobald man nicht mehr weiß, wie man mit einer Brutalität umgehen soll, wendet man sich an uns. Wir kriegen das Problem dann ziemlich gut in den Griff. Ich stimme Arto zu. Die korrekte Formulierung müsste lauten: Gute Einheit für Gewaltverbrechen von neuer Art beim Reichskriminalamt.«
    Lena Lindberg blickte sich in der Kampfleitzentrale um. Zu Ehren des heutigen Tages hatte sie sich etwas zurückhaltender gekleidet. Die Jeans ohne Risse, das T-Shirt nabelbedeckend, dazu eine kleine Lederjacke. »Geht das hier immer so zu?«, platzte sie heraus.
    »Ungefähr«, sagte Arto Söderstedt. »Nur Viggo schläft meistens ein.«
    »Schnauze«, sagte Viggo elegant.
    »Wenn er nicht Videos aufnimmt«, sagte Sara Svenhagen.
    Schnauze sagte Viggo Norlander diesmal nicht. So sprach er Frauen nicht an und schon gar nicht Frauen von Saras Art.
    »Wollen wir versuchen, wieder zum Thema zu kommen?«,

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