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Ungeschoren

Ungeschoren

Titel: Ungeschoren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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die junge Mutter gepresst, in einer Mischung aus Flüstern und Rufen.
    »Und mein Sohn. Wir fühlen uns bedroht. Bitte, beeilen Sie sich. Es wird jeden Moment etwas passieren.«
    »Können Sie ihn kurz beschreiben?«
    »Ein kleiner Ausländer um die dreißig. Sein Blick ist äußerst komisch, und er zuckt mit dem Kopf. Bestimmt ein Drogenabhängiger. Und dann hat er einen Kinderwagen, den er immer mit einem Stock anstößt. Als wäre es eine Schlange. Es kann nicht seiner sein. Er hat bestimmt einer armen Mutter das Baby geraubt. Ist bei Ihnen vielleicht ein Baby als vermisst gemeldet?«
    »Versuchen Sie jetzt, sich zu beruhigen«, sagte der Wachhabende von Vasastan. »Mir kommt die Beschreibung bekannt vor. Hat er vielleicht eine Gitarre in einem Futteral bei sich?«
    »Ja. Wahrscheinlich auch gestohlen. Von einem seiner Kifferkumpel.«
    »Das glaube ich nicht«, sagte der Wachhabende in Vasastan und hustete seltsam.
    »Lachen Sie?«, stieß die junge Mutter aus. »Lachen Sie etwa über mich?«
    »Nein, ganz und gar nicht«, sagte der Wachhabende in Vasastan mit einer Stimme, die eine geheimnisvolle Verwandlung durchzumachen schien. »Entschuldigen Sie.«
    »Hier ist ein Verrückter, der mir jeden Augenblick meinen Sohn rauben wird, und die Polizei lacht mich aus. Es ist nicht zu fassen.«
    »Sie müssen schon entschuldigen«, krächzte der Wachhabende in Vasastan. »Der Verrückte heißt Jorge Chavez und ist Polizeibeamter.«
     
    In glücklicher Unkenntnis des oben beschriebenen Vorgangs streckte Jorge Chavez die Hand aus und schaukelte mit einem Stock den Kinderwagen. Um sich nicht unnötig bewegen zu müssen. Er war unglaublich müde. Isabel hatte die geschlagene Nacht durchgeschrien.
    Zu allem Übel sollte er noch zum Übungsraum zu einer ganztägigen Police-Probe. In seinem Innern ging er Stings geniale Bassläufe durch und nickte den Takt dazu.
    The Police war in den ersten Tagen im Jahr des Punk 1977 in London von dem amerikanischen Drummer Stewart Copeland und dem Jazzrockbassisten Gordon Matthew Sumner, der unter dem etwas albernen Spitznamen Sting ging, gegründet worden. Nach Anfangsproblemen schloss sich der routinierte Studiogitarrist Andy Summers an, und das Trio wurde ein Begriff: eine Jazzband, die als Punkband auftrat. Während einer misslungenen Europatournee im August wanderte Sting durch das Pariser Hurenviertel und dachte über das Leben der Prostituierten nach. Er hatte eine Idee. Er schrieb ein Lied über eine von ihnen. Er nannte sie Roxanne.
    Der Rest ist Rockgeschichte.
    Während einiger Jahre in den Achtzigern war The Police die erfolgreichste Rockband der Welt, mit der einzigartigen Fähigkeit, anspruchsvolle Kompositionen und Arrangements mit Stings unfehlbarem Gefühl für Hits zu verbinden.
    Für die Musiker in Jorge Chavez’ Amateurband war es natürlich überaus komisch, dass ein Polizist The Police spielte. Kein Kalauer wurde ausgelassen. Chavez war glücklicherweise ein toleranter Polizist, der auf die Hänseleien gutmütig reagierte. Er war, wie es so schön heißt, abgehärtet. Die brutalfreundschaftlichen Bosheiten der Musiker waren nichts gegen das, was er aus seiner Zeit als Kanakenbulle in Sundsvall erlebt hatte. Nichts konnte ihn aus der Ruhe bringen. Auch nicht, dass die Bierdosen nach der Probe gegen einen kollektiven Joint getauscht wurden, auch nicht, dass der Joint zwischen den Familienvätern herumgereicht wurde, die davon geträumt hatten, ein neuer Sting oder Andy Summers oder Stewart Copeland zu werden, nie erreichte seine Toleranz ihre Grenze. Er weigerte sich nicht einmal, einen Zug zu nehmen. Einen kurzen zwar und keinen Lungenzug. Aber immerhin. Der Kriminalinspektor (der genau genommen inzwischen Kommissar hätte sein sollen) stand in einem heruntergekommenen Übungslokal in Vasastan und rauchte Gras wie ein Möchtegern-Rockstar.
    Rock, ja. Rock. Jazz. Blues. Die Unterschiede wurden immer fließender, jetzt, wo er zwischen E-Bass und Kontrabass wechselte. Der beste Jazz war immer noch unerreicht, wenn es um die Gesamtheit des Ausdrucks ging, aber Musik war mehr. Musik war Freude und Gemeinschaft, ererbt wie der Sexualtrieb. Musik war auch Schwere und Druck. Kraft. Verdichtung ebenso wie Auflösung. Rockmusik hatte ihre eigene Größe, man brauchte nur die Grenzen ein wenig zu verschieben, den Fokus zu verändern – und es war ein wunderbares, neu gewonnenes Gefühl, diesen Wechsel reibungslos ablaufen zu lassen. Also wechselte er unbeschwert zwischen Rock

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