Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ungeschoren

Ungeschoren

Titel: Ungeschoren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
Vom Netzwerk:
Schreibtisch.
    Prüfungen, dachte er. Wann nehmen sie ein Ende? Zuerst Kerstin Holm, Dag Lundmark und ›Auch viele Wasser‹, dann Jon Anderson, Schwulenclubs und die Polizei in Uppsala. Und jetzt das hier …
    Sein Blick schweifte erneut über den Innenhof. Eine Frau wurde hinter einem Fenster der A-Gruppe sichtbar. Nur einen kurzen Augenblick. Mit blondem, kurzgeschorenem Haar.
    Niklas Grundström schloss die Augen.
    Sara Svenhagen.
    Er dachte an ein neugeborenes Kind mit Namen Isabel.
    Dann drückte er auf die Abspieltaste des Kassettenrekorders.
    Er hörte seine eigene Stimme: »Grundström.«
    Eine dumpfe, offenbar leicht entstellte Männerstimme sagte: »Spreche ich mit dem Chef der Abteilung für Interne Ermittlungen?«
    »Ja. Worum geht es?«
    »Es geht um einen Polizeibeamten, der in schwerwiegende kriminelle Machenschaften verwickelt ist.«
    »Wer spricht denn da?«
    »Das hat Zeit.«
    »Um was für kriminelle Machenschaften geht es?«
    »Drogenvergehen«, sagte die dumpfe Stimme.
    »Und wer ist der Polizeibeamte?«
    Grundström drückte auf die Stopptaste und holte tief Luft. Er behielt die Luft eine gute Weile in den Lungen.
    Als er wieder ausatmete, war er schon in Paul Hjelms Zimmer.

10
     
    Sie waren ein ungleiches Paar, und das wussten sie.
    Arto Söderstedt kam ursprünglich aus Finnland und hatte ein bemerkenswertes Leben als frühreifes Anwaltsgenie in Vasa hinter sich. Aber als alles lief wie geschmiert und er wie die Made im Speck lebte, nahm er Verwesungsgeruch an sich wahr. Seine wundersamen Rettungsaktionen von Großkriminellen verbreiteten Fäulnis in seinem Innern, und er floh aus dem Land. Paradoxerweise wurde er schwedischer Polizist, aus der Überzeugung heraus, dass ein System nur von innen her verändert werden kann. Er ließ sich mit einer großen Familie, deren Mitglieder alle so kreideweiß waren wie er, in Västerås nieder.
    Viggo Norlander seinerseits war ein ehemaliger Paragraphenreiterbulle. Nachdem er von der Mafia in Tallinn auf einem Fußboden gekreuzigt worden war, verwandelte er sich zu einem Casanova in Stockholms Tanzlokalen für die reifere Jugend und wurde mit fünfzig Familienvater. Lebensgefährtin und zwei engelgleiche Töchter, die leider mit der gleichen Schief-nach-innen-rückwärts-Miene ausgestattet waren wie er selbst und einander immer öfter mit Rasseln schlugen. Es war eine lange und verschlungene Geschichte.
    Er und Söderstedt waren jedenfalls ein inzwischen gut eingespieltes Paar, in der Freizeit Freunde und grundverschieden. Arto, der unberechenbare Intellektuelle und der hartgesottene, auf seine Weise ebenso unberechenbare Viggo.
    Arto und Viggo. Der Engel und der Würstchenbudenmann.
    Sie betraten das Vernehmungszimmer. Der Mann am Tisch sah mehr tot als lebendig aus. Allerdings tat er das jetzt schon so lange, dass sie aufgehört hatten, um sein Leben zu fürchten. Lars-Inge Runström sah einfach so aus. Zumindest derzeit.
    Nach den Schüssen.
    Post festum.
    Es war eine kurze, aber intensive Zeit im Rampenlicht gewesen. Und die Schlusswendung war nicht ganz unlogisch. Unerwartet, aber logisch.
    »Tja, mein Freund«, sagte Arto Söderstedt und schob eine große Tasche unter den Vernehmungstisch. »Wollen wir es noch einmal versuchen? Kaffee?«
    Lars-Inge Runström sah ihn mit stumpfen blaugrauen Augen an. Er sah so alt aus. Als wäre er in wenigen Wochen um zwei Jahrzehnte gealtert. Er sagte nichts.
    »Wir kehren zum Fernsehen in Ihrem Haus in Bagarmossen zurück«, sagte Viggo Norlander und ließ sich neben seinem Kollegen nieder. »Sie sind allein, die Familie ist verreist. Wie fühlen Sie sich, als Sie die erste Folge von ›Makeover‹ sehen wollen? Was stellen Sie sich vor, was Sie erleben werden?«
    »Eine große Erniedrigung«, sagte Runström leise.
    »Sie sind also darauf eingestellt, dass das Programm erniedrigend sein wird? Für wen? Für die Teilnehmer?«
    »Wenn es sich darauf beschränkte, müsste man kein Wort darüber verlieren. Ich akzeptiere zum Beispiel sexuelle Minderheiten. Will sich jemand in den eigenen vier Wänden auspeitschen lassen, von mir aus. Will jemand dabei gesehen werden, von mir aus auch das. Masochismus und Exhibitionismus. Es geht nicht um die Teilnehmer. Perversionen stören mich nicht. Aber in den Fernsehproduktionen werden sie zur Schau gestellt und werden dadurch zum Vorbild. Massen von unverdorbenen Gemütern werden davon beeinflusst. Ist es wirklich in Ordnung, dass wir diesen Einfluss auf unsere Kinder

Weitere Kostenlose Bücher