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Ungeschoren

Ungeschoren

Titel: Ungeschoren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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    »Nein«, sagte Söderstedt. »Ich habe Ihre Artikel gelesen. Vom ersten bis zum letzten, glaube ich. Ich war sehr erstaunt, als ich den ersten las. In der Boulevardpresse. Die ja mit den Dokusoaps in Symbiose lebt. Ein Trendbruch, dachte ich schon damals.«
    »Was uns interessiert, Lars-Inge, das ist, was Sie genau in dem Moment denken«, sagte Norlander. »Während das Programm läuft. Auf dem Sofa.«
    »Der Erwartungshorizont«, sagte Söderstedt.
    Norlander und Runström betrachteten ihn skeptisch.
    »So heißt das«, sagte Söderstedt entschuldigend. »Die Art und Weise, wie Sie ein Erlebnis aufnehmen, hängt in hohem Maß davon ab, was Sie erwarten. Sie erwarten Erniedrigung. Warum reagieren Sie trotzdem so heftig?«
    Runström zuckte mit den Schultern. »Es war einfach zu schlimm«, sagte er. »Ein Rest von menschlicher Würde muss erhalten bleiben. Sie haben eine Grenze überschritten. Eine Gruppe von Menschen, die sich versammeln, um sich Schönheitsoperationen zu unterziehen. In dieser Art und Weise die Unzufriedenheit von Menschen mit dem eigenen Aussehen auszuschlachten … Als ob der Konsum von Antidepressiva in Schweden nicht auch ohnedies drastisch zunähme.«
    »Was passierte dann?«
    »Ich setze mich und versuche zu schreiben, aber meine Hände zittern zu stark. Es ist, als ob mein Körper mir sagte, dass Worte nicht ausreichen. Der Körper sagt direkt zum Gehirn: Merkst du nicht, dass Worte nichts bewirken? Aber das haben wir ja schon Dutzende von Malen durchgekaut.«
    »Ich weiß«, sagte Söderstedt. »Wir gehen es trotzdem noch einmal durch. Was dann geschieht, ist ja eigentlich eine ganze Reihe von Ereignissen, nicht wahr? Der Weg von zitternden Händen bis zu dem Punkt, an dem man den Programmchef einer Fernsehgesellschaft erschießt, ist doch ziemlich lang. Was kam als Erstes?«
    »Das Gefühl, es mit Menschen zu tun zu haben, mit denen man nicht reden kann. Menschen, für die Worte einfach keine Bedeutung haben. Ich weiß nicht, ob ich mich verständlich machen kann. Es ist ein rein physisches Gefühl. Ich musste einfach mit dem Programmchef von Kalastelevision reden. Persönlich. Und eine andere Sprache sprechen als die der Worte. Seine eigene Sprache.«
    »Seine eigene Sprache ist wohl trotz allem nicht die der Gewalt?«, fragte Norlander. »Es ist wohl die des Geldes?«
    »Für eine kurze Sekunde auf meinem Sofa sah ich wie in einer Offenbarung, dass Geld und Gewalt ein und dasselbe sind.«
    »Und da haben Sie Ihre alte Heimwehrpistole in die Tasche gepackt? Eine uralte Husqvarna? Sie müssen sich doch da schon vorgenommen haben, ihn zu erschießen?«
    »Hier lässt mich die Erinnerung im Stich«, sagte Runström und sah Norlander in die Augen. »Ich weiß, dass Sie mir an diesem Punkt nicht glauben. Hier fängt das Verhör richtig an. Sie glauben, dass ich hier entweder anfange, mir zu widersprechen, oder dass ich mich erinnere. Ich weiß nicht genau, was von beidem.«
    »Wir wissen es auch nicht«, sagte Söderstedt. »Überzeugen Sie uns.«
    »Ich glaube, dass ich die Pistole eingepackt habe, um damit herumzufuchteln.«
    »Aber sie war mit frisch gekaufter Munition geladen. Und frisch geölt.«
    »Ich habe eindeutig Munition gekauft, so viel weiß ich. Dass ich sie geölt habe, kommt mir eher fraglich vor, aber es ist durchaus möglich. Ich hatte eine Vorahnung von dem, was passieren würde.«
    »Der Erwartungshorizont«, dozierte Söderstedt.
    »Ja, aber es war noch schlimmer. Ich war überzeugt davon, dass der Fernsehsumpf lebensgefährlich ist. Buchstäblich. Tödlich. Wie Arsen. Wie Aids. Wie Sachen, die in ganz konkretem Sinn den menschlichen Organismus zerstören. Es war meine Pflicht einzuschreiten. Aber ich bin ziemlich sicher, dass ich mit der Pistole herumfuchteln, vielleicht sogar einen Schuss in die Decke abgeben wollte, um ihn dazu zu bringen, auf die normale Sprache zu hören. Die richtige. Ihn zu erschießen, hält ja nichts auf, das ist ja nur Dummheit. ›Makeover‹ ist genau wie geplant weitergegangen. Allerdings mit höheren Einschaltquoten. Die Unterbrechungen für Werbung lagen zuletzt bei zweiundvierzig Minuten. Ich habe die Zeit gestoppt. In einem Programm von einer Stunde. Ich glaube, es war das erste Mal, dass sie die Zweidrittelgrenze überschritten haben.«
    »Ein Trendbruch«, sagte Söderstedt. »Ihr Verdienst.«
    Lars-Inge Runström betrachtete ihn lange. »Was soll ich sagen?«, sagte er leise. »Ich habe mir selbst in den Fuß

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