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Ungeschoren

Ungeschoren

Titel: Ungeschoren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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Husqvarna.«
    Worauf Viggo Norlander sich erlaubte zusammenzufassen: »Runström zufolge wurde Swärd also mit Runströms Pistole erschossen, als Runströms Pistole noch nicht in der Garage war.«
    »Ja«, sagte Söderstedt. »Klingt doch überzeugend, oder?«

11
     
    Mitten im Zimmer stand ein Glaskäfig. Die Wände waren unsichtbar. Sie schnitten den Schreibtisch in der Mitte durch, sodass die eine Seite von Glas umgeben war, die andere nicht. Kein Besucher konnte die Existenz dieses gläsernen Käfigs ahnen.
    Und doch existierte er.
    Gunnar Nyberg saß draußen und schaute hinein. Es war wie im Zoo. Im Aquarium auf Skansen.
    Es fragte sich nur, ob eine Vogelspinne oder ein Seidenäffchen im Käfig saß.
    Er seufzte und betrachtete das unbekannte Lebewesen. Rein geografisch lagen nur zwei Meter zwischen ihnen. Aber Distanz hat nur in Ausnahmefällen mit Geografie zu tun.
    Nyberg hatte in den letzten Jahren gewagt, sich selbst von außen zu betrachten. Was er dabei sah, war ein ganz netter Typ. Nicht unproblematisch – aber umgänglich. Die Menschen fassten Vertrauen zu ihm. Er glaubte sogar zu verstehen, warum. Es war eine schwer erkämpfte soziale Kompetenz, aber sie war besser als nichts. Und sie funktionierte. In der Regel.
    Doch keine Regel ohne Ausnahme, und im Glaskäfig saß die Ausnahme, die die Regel bestätigte.
    Sie hieß Jon Anderson.
    Und sollte nie mehr Yes genannt werden.
    Aber richtig sicher konnte man nicht sein.
    Nyberg musste zugeben, dass er das Gesicht auf dem Computerbildschirm vorzog. Es war ihm angenehm. Vielleicht nicht mehr ganz taufrisch, aber insgesamt schien es das Gesicht einer Frau nach seinem Geschmack zu sein.
    Slawisch.
    Außerdem fand er, dass er die polnische Krankenschwester Elzbieta Kopanska ein wenig besser kennengelernt hatte. Er war inzwischen überzeugt davon, dass sie Gefallen aneinander gefunden hätten. Gunnar Nyberg und Elzbieta Kopanska.
    Aber das war nicht möglich. Es war zu spät. Sie war tot. In ihrer Wohnung in Hörningsnäs mit der Axt erschlagen. Bevor sie eine Chance bekommen hatte, Schwedin zu werden.
    Er sah sich inzwischen die Bilder vom Tatort nicht mehr an. Sie waren zu bedrückend. Die furchtbare Aussichtslosigkeit ihrer Lage. Die Hände immer noch zum vergeblichen Schutz erhoben. Das Entsetzen und die Erwartung des Todes auf der Netzhaut eingeätzt wie auf einem Foto. Und der einzige Hieb in die Stirn. Wie man direkt ins Gehirn sah.
    Nein. Nichts mehr davon. Die Rekonstruktion eines Lebens, nicht eines Todes. Eines Lebens in Schweden. Jon Anderson kümmerte sich um das Leben in Polen. So weit hatten sie miteinander reden können. Dann entdeckten sie die Glaswand zwischen sich.
    Keine Tatwaffe, keine Fingerabdrücke, keine Fibern, keine Zeugen. Der Tatort war eiskalt. Es musste stattdessen eine Motivjagd geben. Und um ein Motiv zu finden, musste Gunnar Nyberg den Menschen finden.
    Elzbieta Kopanska war im Februar 1970 in Poznán geboren, wo sie ihre Ausbildung zur Krankenschwester und anschließend eine Weiterbildung zur Operationsschwester in der Unfallchirurgie machte. Seit Mitte der Neunzigerjahre hatte sie in drei verschiedenen Krankenhäusern in der Umgebung von Poznán gearbeitet. Im Raszeja-Krankenhaus las sie die Annonce einer schwedischen Vermittlungsfirma von Sommertätigkeiten in Schweden. Es klang vielversprechend: Wohnmöglichkeit in der Nähe des Arbeitsplatzes, bezahlter Intensivkurs in schwedischer Sprache, danach ein ebenfalls bezahlter Einführungskurs im Krankenhaus sowie die Möglichkeit einer Verlängerung des Arbeitsverhältnisses. Weil der Lohn das Zehnfache ihres gegenwärtigen Lohns betrug und sie keine Familie hatte, die sie hinderte, biss sie an. Sie kam am dritten April nach Schweden und begann sofort den Intensivkurs an Södertörns Hochschule, ganz nah beim Krankenhaus Huddinge, wo sie ab und zu die Ambulanz besuchte, ihren zukünftigen Arbeitsplatz. Nach und nach übernahm sie auch mal eine Nachtwache, um etwas dazuzuverdienen. Bei ihrem Tod am zehnten Juni hatte sie zehn Tage als Schwester in der Ambulanz gearbeitet. Den vorliegenden Informationen zufolge hatte sie sehr schnell Schwedisch gelernt.
    Gunnar Nyberg blickte vom Bildschirm auf und sah durchs Fenster hinaus zum strahlenden Himmel. Er dachte nicht daran, dass er bald Urlaub haben würde, dass er und Ludmila einen ganzen Monat lang mit dem Auto in Europa unterwegs sein würden, nicht zuletzt, um sich Häuser anzusehen. Sie wollten nach Venetien, und sie wollten

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