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Ungeschoren

Ungeschoren

Titel: Ungeschoren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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wäre zu gestehen.«
    Naska Rezazi sah zu Sara Svenhagen auf. Ihre Augen waren offen, nackt. Aber auch enttäuscht. Doch enttäuscht auf die richtige Art und Weise.
    »Ich weiß nicht, wovon du redest«, sagte sie.
    Sara lächelte und warf einen Blick zu Lena Lindberg hinüber. Lenas Augen sahen ungefähr so aus wie Naskas. Möglicherweise noch etwas erschrockener.
    Sara Svenhagen musste zugeben, dass es kein guter Schachzug gewesen war. Ein Test. Alle Möglichkeiten, an dem Fall weiterzuarbeiten, hätten zerstört werden können. Aber wenn jedes Vertrauen verschwunden wäre, hätte Naska einfach dicht gemacht. Die Worte ›Ich weiß nicht, wovon du redest‹ waren fast eine Einladung zur Fortsetzung des Gesprächs.
    Sara war erleichtert. Sie konnten weitermachen.
    »Wir gehen ein wenig zurück«, sagte sie. »Wie kam es dazu, dass deine neue Identität aufgedeckt wurde?«
    »Nedim rief an.«
    »Wann war das?«
    »Am Abend vorher. Gegen acht Uhr.«
    »Also vorgestern Abend? Was hat er gesagt?«
    »Nicht viel. Seine Worte waren falsch. Er wollte nicht reden. Es war nicht seine Redestimme. Die hatte er auch. Früher einmal. Wir redeten sehr viel miteinander, als wir klein waren. Aber seine Redestimme verschwand. Als er groß wurde und die ›Last der Verantwortung‹ spürte, wie er sich ausdrückte. ›Generationen von Verantwortung‹.«
    »Was hat er gesagt, als er anrief?«
    »Er hat gesagt: ›Wir müssen uns treffen, Naska.‹ Und ich habe gesagt: ›Ich heiße nicht Naska. Ich heiße Rosa.‹ Da sagte er: ›Es gibt ein Vereinsheim in deiner Nähe. Die niedrigen Gebäude. Weißt du, was ich meine?‹ Ich sagte: ›Ja. Ich mache einen Kurs da. Willst du wissen, was für einen Kurs ich mache, Nedim?‹ Er sagte: ›Wir sehen uns im Innenhof bei dem Vereinslokal heute Nacht um halb drei. Wir müssen reden.‹ Ich sagte: ›Einen Selbstverteidigungskurs für Frauen.‹ Aber da hatte er schon aufgelegt.«
    »Warum hast du nicht die Polizei angerufen, Naska?«
    »Daran habe ich auch gedacht. Ich hatte schon den Hörer in der Hand. Aber dann dachte ich: Man kann nicht das ganze Leben lang fliehen. Das halte ich nicht durch. Es muss ein Ende haben.«
    »Auf welche Weise sollte es ein Ende haben?«
    »Ich hoffte, ich könnte ihn dazu bringen, mit mir zu reden. Ich hoffte, ich könnte seine Redestimme wieder hervorlocken. Sie konnte nicht gestorben sein. Sie war nur verschüttet unter all den Trümmern.«
    »Und trotzdem hast du das kleine Schweizer Klappmesser in die Tasche gelegt?«
    »Ich habe es gekauft, als ich den Kurs in Selbstverteidigung anfing. Sie warnten mich vor allem, was Männer sich einfallen lassen. Ich hatte nicht die Absicht, es gegen meinen Bruder einzusetzen. Ich glaubte ja, dass ich ihn nie wieder treffen würde. Und das stimmte ja.«
    »Ich glaube, jetzt bringst du die Dinge durcheinander, Naska. Du hast ihn ja doch getroffen. Bevor du ihm das Messer ins Herz gestoßen hast.«
    »Richtig, ja«, sagte Naska und bekam wieder diesen großen, nackten Blick.
    »Du bist zum Treffpunkt gegangen, um zu versuchen, ein für alle Mal mit ihm zu reden. Als ob Worte tatsächlich einen Austausch zwischen zwei Menschen beinhalteten. Und doch hast du das Messer mitgenommen.«
    »Das waren die beiden Möglichkeiten, die es gab. Gewalt oder Worte.«
    »Man kann wohl sogar sagen, dass es die beiden Möglichkeiten sind, die es überhaupt gibt. In der Welt. Gewalt oder Worte.«
    »Ja«, nickte Naska. »So ist es. Wenn es richtige Worte sind. Sonst sind sie auch Gewalt.«
    »Aber du wusstest doch, wie Nedims Messer aussieht. Es war groß. Und er hatte es vorher schon benutzt. Du hattest es aus nächster Nähe gesehen. Du hast noch die Spuren davon als Narben auf den Wangen. Was sollte dein Taschenmesser gegen dieses Riesenmesser ausrichten?«
    »Ich habe auf ein Wunder gehofft.«
    »Wenn er dich zuerst angegriffen hat, ist es Notwehr. Dann kommst du nicht ins Gefängnis.«
    »Er hätte mich angegriffen, wenn er eine Chance gehabt hätte. Ich bin ihm zuvorgekommen.«
    Sara betrachtete ihre Kollegin. Lena Lindberg hatte dichtgemacht. Sie nickte ihr nur kurz zu. ›Mach weiter.‹ So sah es auf jeden Fall aus.
    Sara wollte, dass es so aussah.
    »Weißt du, was ich glaube, Naska?«, sagte sie schließlich.
    »Nein.«
    »Ich glaube, du bist eine sehr, sehr intelligente Frau mit einem raffinierten Plan, der aber von einer falschen Voraussetzung ausgeht. Nämlich der, dass das Gefängnis der einzige Ort ist, wo du Ruhe und

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