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Ungeschoren

Ungeschoren

Titel: Ungeschoren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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letzten James-Bond-Film liegt er mit achtzehn nackten Groupies in seinem privaten Swimmingpool in Beverly Hills und sehnt sich nach den Schafen.
    Es war besser, neben Sara zu stehen. Eine stattliche Frau. Er war nur einen Kopf größer. Leider doppelt so breit. Doch in diesem Zusammenhang war das akzeptabel.
    Gunnar Nybergs Armbanduhr piepte. Er stellte den Piepton ab. Halb fünf. Es war Zeit. Er hatte eine Verabredung mit Modelltüftlern in Glömsta. Er sammelte die Fotos zusammen, nickte kurz Yes im Innern des Glaskäfigs zu und machte sich auf den Weg.
    Er klopfte bei Kerstin Holm und trat ein, ohne eine Antwort abzuwarten. Sie stand in der Ecke des Zimmers und sah zur Decke auf, wobei sie den Kopf in einem merkwürdigen Winkel hielt. Als Nyberg eintrat, wirkte sie wie auf frischer Tat ertappt. Sie stellte sich wieder gerade hin und sagte: »Die Sonne ist rausgekommen.«
    Weil diese Äußerung alles klarmachte, ließ er die Sache auf sich beruhen. Er legte die Fotos auf ihren Tisch, nickte kurz dem wie immer zeichnenden Anders zu und sagte:
    »Ich zische ab zum Modellbauclub in Glömsta, um über einen Textilsticker zu reden.«
    Weil diese Äußerung sowohl ausführlich als auch klärend war, sagte Holm nur: »Okay.«
    Und alle Sorgen waren aus der Welt.
    Kerstin Holm betrachtete die geschlossene Tür und dachte zum dritten Mal an diesem Tag über Flipcharts und komplizierte Grafiken nach. Sie sollte in dieser Richtung wirklich etwas unternehmen. Und wenn man vom Teufel spricht …
    Es klopfte schüchtern an der Tür. Sie erkannte das Klopfen.
    »Komm rein, Jon«, sagte sie.
    Jon Anderson kam herein. Er hielt ihr ein Papier vor die Nase. »Ich muss nach Polen fahren«, sagte er.
    »Aha«, sagte sie, und das Fehlen der Flipchartgrafik war jetzt direkt auffallend.
    »Sieh mal hier«, sagte er und zeigte auf das Papier. Es enthielt eine Liste mit vielen Zahlen und seltsamen Buchstabenkombinationen mit Akzenten an komischen Stellen.
    »Das sieht aus wie Polnisch«, sagte sie.
    »Na klar ist das Polnisch«, sagte er gekränkt. »Sieh dir mal die Zahlen an.«
    Sie seufzte tief und sagte aufrichtig: »Ich habe nicht die blasseste Ahnung, was ich da sehen soll.«
    Da hielt er inne und betrachtete sie von oben. »Du weißt also nicht, woran ich arbeite?«
    »Nicht im Detail. Setz mich ins Bild.«
    »Was für eine Überraschung«, sagte Jon Anderson in einem Ton, der Sarkasmus vorstellen sollte.
    »Setz mich ins Bild«, wiederholte sie mit der Neutralität, die im Lauf des Tages in ihre Erbmasse eingesickert war.
    »Hier sind die Kontoauszüge der polnischen Krankenschwester Elzbieta Kopanska aus den letzten drei Jahren. Es geht viel zu viel Geld ein. Tausend Zloty in regelmäßigen Abständen. Fast dreitausend Kronen. Mindestens einmal im Monat seit etwas mehr als einem Jahr.«
    Kerstin Holm zuckte die Schultern. »Sie hat vielleicht einen Teil ihres Haushalts verkauft oder nebenher als Kellnerin etwas verdient oder von einer reichen Tante in Czestochówa immer mal etwas bekommen. Warum sollte das eine Reise nach Polen rechtfertigen, die unser Budget sprengt? Warum sollte ich mein Budget schon am ersten Tag überziehen?«
    Jon Anderson betrachtete sie. Mit diesem Blick. Von oben. »Weil die Polen behaupten, dass etwas faul ist«, sagte er. »Und die haben eine hohe Toleranzschwelle. Es muss schon ziemlich dicke kommen, bis sie sagen, dass etwas faul ist.«
    »Was genau sagen sie?«
    »Eben das müsste ich herausfinden. Es gibt Andeutungen en masse, aber keine klare Aussage. Als wüssten sie etwas, wollten es aber nicht sagen. Ich muss mit den Leuten selbst sprechen. Nun komm schon. So teuer wird es gar nicht. Einen Billigflug und ein Billighotel kann ich allein buchen. Ich bin absolut davon überzeugt, dass Elzbieta Kopanskas Tod eher mit Polen zu tun hat als mit Schweden.«
    »Ich habe noch nicht das entscheidende Argument gehört.«
    »Ihr seid mich ein paar Tage los.«
    Kerstin Holm sah ihn an. Sein Gesicht verriet nicht, ob er einen Witz hatte machen wollen. »Ich denke darüber nach«, sagte sie.
    Womit Jon Anderson offenbar zufrieden war, denn er verschwand schneller, als man Yes sagen konnte.
    Von neuem betrachtete sie die geschlossene Tür. Sie war anscheinend ein Füllhorn, denn jetzt quollen die Leute förmlich herein, um die Resultate ihres Arbeitstags mitzuteilen. War es Hultin auch so ergangen? Und kein einziges Mal hatte er sich beklagt.
    Großer, starker, schweigsamer Mann.
    Arto Söderstedt und Viggo

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