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Ungeschoren

Ungeschoren

Titel: Ungeschoren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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Frieden findest. Es gibt andere und bessere Möglichkeiten.«
    »Die haben wir schon ausprobiert«, sagte Naska und blickte tief in Saras Augen. Da war eine Widerstandskraft. Stärker als Sara sie jemals gesehen hatte. Aber gut versteckt. Und nicht stark genug, um dem großen Messer in der Hand des zornigen Mannes zu widerstehen. Sie war stärker als das Messer. Wenn auch auf einer ganz anderen Ebene. Auf einer Ebene, die Bruder Nedim überhaupt nicht kannte. Oder für die er sich blind gemacht hatte. Blind gemacht worden war. Von der mystischen Kraft, die unter dem Decknamen Tradition läuft.
    Sara sagte: »Du willst ein Jahr Ruhe im Knast haben, im Höchstfall zwei. Welches Verbrechen bringt dir das ein? Nicht Mord, das gibt mehr. Nicht Notwehr, das gibt überhaupt nichts. Also sollen wir glauben, du wärst hingegangen und hättest gehofft, mit deinem Bruder reden zu können: Das Verbrechen ist nicht vorsätzlich. Dagegen können wir nicht akzeptieren, dass Nedim zuerst zugestoßen hat: Dann liegt überhaupt kein Verbrechen vor. Am besten wäre es, wenn du zugestoßen hast, weil du glaubtest, er würde zustoßen. Dann ist es Totschlag. Eine angemessene Zeit im Knast. Du machst das Abi nach. Dann brauchst du nur noch ins Tierarztstudium einzusteigen, wenn deine Strafe verbüßt ist.«
    Der Blick, der Sara traf, war zerstört, vollkommen zerstört.
    »Sag so was nicht«, sagte Naska.
    »Okay«, sagte Sara. »Dann sag ich so was nicht. Stattdessen sage ich Folgendes: Es gibt ein anderes und viel schlimmeres Szenario. Du hast einen Mittäter darauf angesetzt, deinen Bruder zu ermorden – einen Liebhaber oder einen bezahlten Mörder. Alles, damit du dein freies Jahr im Knast verbringen kannst. Denn man hat ja gehört, wie locker es zugeht in schwedischen Gefängnissen. Wie ein Jahr im Hotel, und alles bezahlt. Klingt doch riesig. Zeit genug. Wie eine lange Charterreise, gratis. Und dann kann der Staat noch einmal eine Million aufbringen, um dir eine weitere geschützte Identität zu beschaffen, während du studierst und Krafttraining machst und dich in Solarien aalst und fernsiehst und dein Leben wie geschmiert läuft.«
    »Aber zum Teufel noch mal!«, platzte Lena Lindberg heraus.
    Sara Svenhagen nahm sie gar nicht zur Kenntnis. Sie war völlig auf Naska Rezazi fixiert. In Naskas Augen war die Kraft wieder erwacht, die Widerstandskraft, aber sie sah jetzt anders aus. Als wäre sie zum vergeblichen, aber urgewaltigen Widerstand des Todeskampfs geworden.
    »Nein«, sagte sie nur.
    »Dochdochdoch«, polterte Sara weiter. »Statt dich an die Polizei zu wenden, als Nedim angerufen hatte, hast du deinen Liebhaber angerufen und ihn deinen Bruder abmurksen lassen. Du hattest einen sicheren Ausweg. Und weißt du, woher ich das weiß?«
    Schweigen. Zum ersten Mal Schweigen. Ein verstohlener Blick unter den Tisch. Die Weigerung zu antworten.
    »Weißt du, was eine Akelei ist?«, fragte Sara.
    Naska blickte auf und betrachtete sie. Mit – Interesse. Als wäre sie an gerade dieser Frage interessiert.
    »Ja«, sagte sie erstaunt. »Es ist eine Blume.«
    »Es ist eine Blume, die nicht in Tensta wächst. Auf jeden Fall nicht da, wo du deine Mittsommerblumen gepflückt hast. Woher hast du sie?«
    »Was weißt du von meinen Mittsommerblumen?«
    »Ich glaube, dass du sie wegen des Wunders gepflückt hast. Auf das du gehofft hast. Ein Zeuge hat dich auf dem Weg zum Vereinslokal gesehen. Er hat gesehen, wie du Blumen gepflückt hast. Komm schon, Naska. War dein Mittäter da und hat dir die Blume gegeben? Hatte er Nedim schon getötet? Und gab dir zum Trost eine kleine Blume?«
    »Es gibt keinen Mittäter«, sagte Naska ruhig. »Ich kann mich auf keinen Mann verlassen.«
    »Okay. Wir sagen, dass du keinen Mittäter hattest. Du bist selbst hingegangen. Wir wissen, dass es sich nicht um Notwehr gehandelt hat. Du kannst dich unmöglich so erfolgreich gegen das große Messer in der Hand des großen Mannes gewehrt haben. Nicht einmal eine Schramme hast du abbekommen. Du kannst ihn auch nicht überrascht haben, weil der Messerstich im Herzen saß. Mit Präzision genau von vorn ausgeführt. Du musst erzählen, was am Treffpunkt passiert ist. Was ist passiert? Nun komm schon. War er eingeschlafen? Saß er da und schlief, und du hast die Gelegenheit ergriffen und das Messer in die schlafende Gestalt gestoßen? Hatte er selbst die Akelei und gab sie dir? Als Todeskuss? Um sie mitzunehmen in die nächste Welt? Was ist passiert, Naska?«
    Naska

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