Ungestüm Wie Wind Und Meer
konnte sich nicht daran erinnern, zur Seite bewegt worden zu sein, doch jetzt schlief Jack neben ihr, einen Arm wie beschützend um sie geschlungen. Kit lächelte verschlafen; sie fühlte seinen regelmäßigen Herzschlag an der Wange. Sie war wann und geborgen, satt und zufrieden, was sie seit jener Mittwochnacht nicht mehr hatte behaupten können.
Über die Bettdecke hinweg blinzelte sie zum Fenster. Rosige Abenddämmerung senkte sich bereits herab. Es war Zeit zu gehen. Vorsichtig löste sie sich von Jacks Seite, doch mit schlafschwerem Arm zog er sie wieder an sich. Kit blickte erneut zum Fenster. Vielleicht war es noch gar nicht so spät. Sie kuschelte sich an Jack, hob, nach seinen Lippen suchend, den Kopf und machte sich daran, ihn wach zu küssen.
Zwanzigstes Kapitel
Am Montagabend wich das Strahlen aus Kits Augen. Sie hatte beschlossen, am Treffen in der alten Scheune teilzunehmen. Auf dem gemächlichen Ritt zum Pächterhäuschen danach bot sich vielleicht die Gelegenheit zu einem Gespräch über das Problem der >menschlichen Fracht<. Sie gab sich keinen Illusionen hin, was vernünftige Gespräche nach ihrer Ankunft im Häuschen betraf. Aber Jack hatte innerhalb von zwei Monaten nur ein einziges Mal >menschliche Fracht< übernommen, also blieb ihr gewiss noch Zeit, seine Bekehrung in aller Ruhe voranzutreiben.
Das Treffen hatte schon begonnen, als sie eintraf. Sie schlüpfte in den schützenden Schatten im rückwärtigen Teil des Schuppens und hockte sich auf eine staubige Kiste. Einige hatten ihren verstohlenen Eintritt bemerkt und nickten ihr begrüßend zu, bevor sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf Jack richteten, der im schwachen Lichtkegel der einzigen Lampe stand.
Jack wandte sich an Shep. »Du und Johnny, ihr holt den Passagier in der Dämmerung aus Creake ab. Bringt ihn geradewegs zum Strand.«
Kit erstarrte.
Shep nickte, und Jack wandte sich Noah zu. »Komm kurz an Land und nimm ihn an Bord. Dein Boot soll das letzte sein, das zum Schiff rausfährt. Dort übergibst du ihn und nimmst die restliche Ware an Bord.«
»Gut.« Noah senkte den Kopf.
»Das wäre dann alles.« Jack sah jedem einzelnen ins wettergegerbte, nahezu ausdruckslose Gesicht. »Wir treffen uns wie gewöhnlich am Donnerstag.«
Unter Grunzen und Nicken zerstreute sich die Bande; in Zweier-und Dreiergruppen verschwanden die Männer lautlos in der Nacht. Die Lampe wurde herabgelassen und gelöscht.
Kit saß immer noch auf der Kiste, den Kopf gesenkt, das Gesicht verborgen unter dem Dreispitz. Jack betrachtete ihre reglose Gestalt Seine Besorgnis wuchs. Was zum Teufel war denn jetzt wieder los? Mit ihrem Kommen hatte er wohl gerechnet, aber ihre Nachdenklichkeit war beunruhigend. Nach ihren Bemühungen am Sonntag nachmittag hätte Jack viel mehr Eifer erwartet.
George und Matthew gesellten sich unter der jetzt offenen Tür zu ihm.
»Ich reite schnurstracks nach Hause«, erklärte George in gedämpfter Ton, da er Kit hinter sich im Dämmerlicht wusste. Fragend zog er eine Augenbraue hoch.
Jack schob das Kinn vor und nickte entschlossen. George schlüpfte in die Nacht hinaus.
»Mach du dich am besten auch gleich auf den Weg.«
»Gut.« Matthew zog sich ohne weitere Fragen zurück. Jack sah, wie er aufsaß und nach Süden davonritt
In der Dunkelheit, in Jacks Rücken, bemühte sich Kit ihre Gedanken zu ordnen. Jack musste von dieser neuerlichen >menschlichen Fracht< seit seinem Besuch im Blackbird am Mittwoch gewusst haben. Obwohl sie Mittwochnacht und auch Sonntagnachmittag nicht von seiner Seite gewichen war, hatte er nichts davon erwähnt nicht einmal die kleinste Anspielung gemacht. Und sie hatte geglaubt im Voraus über Spione informiert zu werden! jetzt blieben ihr weniger als vierundzwanzig Stunden, um eine Entscheidung zu treffen und zu handeln.
Als das Schweigen in der Scheune sich endlos fortsetzte, drehte Jack sich um trat wieder ein. Dort, wohin das Mondlicht nicht mehr reichte, blieb er stehen und blickte in die Richtung, in der er Kit wusste. »Was ist los?«
Unter seinem gereizten Tonfall kochte Kits Wut hoch, was Jack dank der Dunkelheit allerdings entging. Im Wissen um ihren Vorteil nahm sie sich reichlich Zeit um ihre Strategie abzuwägen. Sie hatte vorgehabt, Jack seine verräterischen Unternehmungen auszureden; einen Versuch war es immer noch wert. Doch diese zugige Scheune mit den lockeren Dielen und verzogenen Türen war nicht der richtige Ort für ein Gespräch über Hochverrat schon gar nicht mit
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