Ungezaehmte Begierde
Schlimmes hineingeraten.
Sie spürte schnell, wenn jemand versuchte, etwas schönzureden, auch wenn sie selbst es war und es nur zu sich selbst sagte. Sie wollte, dass er sie küsste.
»Deine Freunde …«
»Sind beschäftigt. Sie werden uns jetzt nicht stören.«
Delaney verzog ironisch den Mund. »Und wenn, dann ist es dir egal.«
Er lächelte und brachte ein Paar unglaublich attraktive Grübchen zum Vorschein. »Stimmt.«
Begehren durchflutete ihren Körper – und sie gab sich der Lust hin, nahm sein Gesicht in ihre Hände und zog seinen Mund zu sich hinunter.
Irgendwo in ihrem Kopf kreischte eine Stimme, dass sie ihn auf diese Weise dazu bringen konnte, weniger wachsam zu sein, aber diese Stimme wurde schnell von dem Schnurren purer Leidenschaft erstickt.
Tighe bebte und sog die Luft durch die Nase ein, als wollte er Delaney inhalieren. Er legte die Arme um sie, zog sie an seine Brust und erwiderte ihren Kuss.
Der Kuss erfüllte sie zu gleichen Teilen mit Wonne und einem irrsinnigen Verlangen. Genau wie er öffnete sie den Mund und ließ ihre Zunge sinnlich um die seine gleiten. Er schmeckte genauso wie er roch, wie Regen und Gewitter. Wild. Berauschend.
Warum? Warum fühle ich mich so sehr zu ihm hingezogen?
Er strich mit den Händen über ihren Rücken, legte den Kopf auf die Seite und küsste sie noch leidenschaftlicher.
Mit einem Mal spürte sie einen heftigen Schmerz in ihrem Kopf.
Keuchend wich sie zurück.
»Was ist los?«, fragte er scharf.
»Mein Kopf. Kopfschmerzen. Ich muss mich kurz hinlegen.« Bevor sie wieder das Bewusstsein verlor. Es war genau derselbe Schmerz wie im Parkhaus. Nicht jetzt. Bloß nicht jetzt!
Tighe nahm ihr Gesicht in seine Hände. Der leichte Druck seiner Handflächen schien den Schmerz ein wenig zu lindern.
»Das tut gut«, flüsterte sie.
»Lincoln-Denkmal«, rief Tighe. »Wir treffen uns dort.«
Sie versuchte die Augen zu öffnen und sah ihn verwirrt an. War sie doch wieder ohnmächtig gewesen? Irgendwie schien ihr ein Stück des Gesprächs zu fehlen.
Durch den Schleier aus Schmerz sah sie, wie eine Jeans und ein Hemd aus dem Schlafzimmer segelten.
»Zieh dich um, bevor die Cops noch auf dumme Gedanken kommen«, rief eine geisterhafte Stimme. »Und tu etwas gegen das Blut.«
Tighe gab ein Geräusch von sich, dieses seltsame animalische Knurren, und ließ sie los. Der Schmerz in ihrem Kopf wurde augenblicklich stärker. Sie sackte gegen die Tür und presste die Hände gegen die Wangen. Aber ihre eigenen Hände halfen nicht gegen den Schmerz.
Als Tighe ihr Handgelenk ergriff, wusste sie nicht, wie lange sie dort schon gestanden und mit den Schmerzattacken gerungen hatte.
»Komm, Schönheit. Wir machen einen kleinen Ausflug.«
»Ich glaube, das ist jetzt keine gute Idee.«
Doch er öffnete bereits die Tür und schob sie in die Nacht hinaus. Sie war auch zu schwach für eine Diskussion. Widerstandslos ließ sie sich von ihm auf den Beifahrersitz eines Wagens geleiten. Sie legte den Kopf zurück, schloss die Augen und versuchte irgendwie bei Bewusstsein zu bleiben und nicht den Kopf zu verlieren, bis dieser schreckliche Zustand vorüber war.
Endlich, endlich ließ der Schmerz nach. Die Kopfschmerzen verschwanden zwar, doch sie fühlte sich schwach und ihr war kalt. Was ging da mit ihr vor? Die Kopfschmerzen hatten sich so angefühlt wie jene aus der Zeit, bevor sie die Visionen von den Morden hatte; aber genauso wie kürzlich bei dem Anfall in ihrem Auto hatte sie diesmal nichts gesehen. Was ihr überhaupt nicht passte. Denn wenn sie schon solche Schmerzen ertragen musste, sollte sie doch wenigstens einen Hinweis erhalten, der ihr auch bei der Ergreifung des Mörders half.
Sie holte tief Luft, schlug die Augen auf und stellte fest, dass Tighe in der Nähe des Lincoln-Denkmals im absoluten Halteverbot parkte. Er ließ ihre Hand los. Sie hatte ganz vergessen, dass er sie immer noch festhielt.
»Steig aus, Rehauge.«
»Was tun wir hier?«
»Mein Zwillingsbruder ist ganz in der Nähe.«
Sie starrte ihn mit offenem Mund an, als er aus dem Auto stieg. Sie folgte ihm reichlich verwirrt, denn ihr Verstand überschlug sich bei dem Versuch, in dem Gesagten einen Sinn zu finden.
»Woher weißt du, dass er hier ist?«
Er nahm ihre Hand. »Komm einfach mit.«
Er ging auf die Stufen des Denkmals zu. Sie musste rennen, um mit ihm Schritt zu halten. Dennoch waren sie immer noch zehn Meter von dem Denkmal entfernt, als Tighe erneut ein wildes Knurren ausstieß,
Weitere Kostenlose Bücher