Ungezaehmte Begierde
weinte um Tighe und um ihre Mutter, die sie immer noch vermisste, und auch um die Kinder, deren Mütter ihnen von einem Mann geraubt worden waren, den Delaney nicht fassen konnte. Aber am meisten weinte sie über sich selbst, über ihre Einsamkeit, die jeden Tag unerträglicher wurde. Eine Einsamkeit, die ihr gar nicht bewusst gewesen war, bis ein gut aussehender, zwar sprunghafter und seltsamer, aber zärtlicher Mann sie ihr genommen hatte.
Ein Mann, der sie nun nie mehr berühren würde.
Sie merkte erst, dass sie eingeschlafen war, als ein Schmerz mit der Kraft eines Presslufthammers durch ihren Kopf schoss und sie keuchend aus dem Schlaf hochfuhr. Sie musste Dr. Jensen rufen. Aber bevor sie überhaupt einen Ton von sich geben konnte, versank sie schon wieder in der Dunkelheit. Als sich der düstere Nebel aus Schmerz lichtete, kreischte ein einziger Name durch ihren Kopf.
Tighe!
*
Als Tighe im Kriegszimmer stand, hallte Delaneys Schrei durch seinen Kopf. Er erstarrte.
»Stripes! Was ist los? Hast du schon wieder eine Vision?«
»Ja.« Er tastete nach der Wand, denn er sah nur noch finstere Schwärze. Er sah Delaney ruhig und still mit tränennassen Wangen auf einem Bett liegen. Sein Herz zog sich zusammen, und die Wärme in seinem Kopf, die ihn mit ihr verband, pochte vor Schmerz. Schrecklichem Schmerz.
Tighe! Er spürte, wie der Nebel um sie herum waberte und schwarze Strudel sie bedrohten.
Er versuchte Kontakt zu ihr aufzunehmen, aber die drückende Dunkelheit hatte sie fest im Griff und zog sie nach unten.
Tighe!
Ihre Stimme klang leiser und weiter entfernt. Sie war voller Angst. Und Schmerz.
Delaney .
Er versuchte in seinem Kopf eine Verbindung zu ihr herzustellen, aber sie entglitt ihm immer wieder, verschwand einfach in der Dunkelheit, in dem gefährlichen Nebel.
Und dann war sie ganz weg.
»Tighe?« Karas Stimme drang durch den Nebel bis zu ihm.
Die Vision löste sich auf. Er schüttelte den Kopf und blinzelte, während sich sein Blick klärte und er zu verstehen versuchte, was er gerade gesehen hatte. Neben dem verzweifelten Wunsch, sie zu suchen, wuchs eine Angst in ihm, die aber nicht seine eigene war.
Delaneys Angst.
Was war geschehen? Jemand jagte sie. Oder etwas .
Er hielt inne. Es hatte sich beinahe so angefühlt, als würde sich die Vision gegen sie selbst wenden.
Göttin, ja, das war es, das musste es sein. Die Visionen waren zu groß für ihren menschlichen Verstand geworden. Zu stark. Sie war unter dem Gewicht der Vision zusammengebrochen und für immer in der Dunkelheit verschwunden.
Tief in seinem Herzen fürchtete er, dass sie sich nicht allein daraus befreien konnte.
Er lief auf die Tür zu.
»Was ist passiert?«, fragte Lyon.
»Delaney braucht mich. Ich muss sie suchen.« Aber wie? Sie war doch sicher nicht nach Hause gegangen. Er stürzte aus dem Raum und lief den Flur hinunter auf die Haustür zu.
Er hörte noch, wie sie nach ihm rief. Spürte, wie sie durch die Verbindung, die er versehentlich zwischen ihnen geschaffen hatte, an ihm zerrte.
Er hörte, wie Lyon hinter ihm Befehle bellte. »Hawke, Kougar und Jag, ihr geht mit ihm. Fahrt diesmal mit zwei anderen Wagen, falls die Menschen sich die ersten gemerkt haben.«
Lyons Stimme verhallte, als Tighe aus der Tür rannte. Was aber würde passieren, wenn er sie nicht fand? Was geschah, wenn er sie fand, aber nicht an ihren Geist herankam?
Verzweiflung und Entschlossenheit wechselten sich in ihm ab, verstärkt durch eine Wut, die allzu real schien. Der Klon bedroht bereits mein eigenes Leben. Ich werde auf keinen Fall zulassen, dass das Monster und diese widerlichen Visionen auch noch Delaney zerstören.
Wenn sie das nicht bereits getan hatten.
Als Tighe auf den ersten Wagen zulief, hatte er Angst davor, zu spät zu kommen. Und selbst wenn er sie fand: Würde ihr Geist überhaupt noch zu retten sein?
13
Alles versank in der Dunkelheit. Delaney konnte nichts sehen, nichts hören, nichts fühlen. Nichts außer einem dumpfen Schmerz.
Sie hatte das Gefühl, sie würde stehen. Vielleicht sogar gehen. Aber wohin? Sie streckte die Hand aus, fühlte aber nichts. Sie führte die Hand an ihren Kopf, aber da war auch nichts.
Panik stieg in ihr auf. Sie unterdrückte sie jedoch und zwang sich, irgendeine Logik in das Nichts zu bringen. Nicht real. Das ist nicht real.
Ihr Körper lag immer noch auf dem Bett, auf dem Dr. Jensen sie zurückgelassen hatte. Nur ihr Verstand hatte sich ein wenig bewegt, war von einer
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