Ungezaehmte Begierde
stimmt.«
»Sieh zu, dass du das Problem in den Griff kriegst, Stripes. Wie auch immer du das anstellst. Wenn du es nicht schaffst, dann machen wir es.«
Tighe verstand die Drohung, die in den Worten seines Anführers mitschwang. Denn alle anderen konntensich des Problems nur auf eine einzige Art entledigen.
Indem sie Delaney Randall umbrachten.
Tief in seinem Innern hob der Tiger den Kopf und brüllte.
»Was immer wir tun, wir müssen es schnell tun«, erklärte Hawke. »Ich habe den Schamanen angerufen und mit ihm über diese Streifen in deinen Augen gesprochen, Tighe.«
Fragend hob Tighe eine Braue. »Und?«
Hawke biss mit grimmiger Miene die Zähne zusammen. »Deine Seele löst sich langsam auf. Sobald deine Augen vollkommen schwarz sind, ist nichts mehr von dir übrig. Bis dahin besteht immer noch Hoffnung, dass wir dich irgendwie wieder hinbekommen«
Aber die Zeit lief.
*
Delaney saß auf der Bettkante, während sich die Manschette des Blutdruckmessgerätes um ihren Oberarm zusammenzog.
»Wie fühlen Sie sich?«, fragte Dr. Jensen zum fünfzigsten Mal. Sie war eine kleine, rundliche Frau mit scharf blickenden blauen Augen und grauen Strähnen in den dunklen Haaren, die sie in einer strengen Frisur trug.
»Gut.« Ihr war, als hätte man ihr das Herz aus der Brust gerissen.
»Dann ist es gut. Was die bisherigen Untersuchungen angeht, ist bei Ihnen alles normal.« Die Ärztin löste die Manschette. »Morgen früh erhalten wir die Laborergebnisse. Ich würde Ihnen gern für heute Nacht etwas zum Schlafen geben, aber ehe wir wissen, ob man Ihnen Drogen eingeflößt hat, ist mir das zu heikel.«
Delaney schüttelte den Kopf. »Das ist auch nicht nötig.« Das Letzte, was sie wollte, war, in einem tiefen, künstlichen Schlaf zu liegen, wenn einer von Tighes Männern sie aufspürte.
Allein bei dem Gedanken an Tighe spannte sie wütend den Kiefer an. Ihre Augen wurden heiß und brannten von den zurückgehaltenen Tränen. Er hätte nicht weglaufen dürfen. Er hätte nicht sterben dürfen.
Gott, was war sie für eine Idiotin, dass sie das überhaupt kümmerte.
Dr. Jensen wünschte ihr eine gute Nacht, schloss die Schlafzimmertür hinter sich und ließ Delaney allein in der riesigen Suite im Sicherheitstrakt des FBI-Gebäudes zurück. Phil hatte dafür gesorgt, dass sie unter ärztlicher Aufsicht stand, bis sie wussten, ob sie tatsächlich Drogen erhalten hatte. Abgesehen von Dr. Jensen waren noch zwei gut ausgebildete Sicherheitsbeamte im Haus, zwei weitere waren draußen postiert, für den Fall, dass Tighes Bruder oder jemand anders aus seiner Organisation hinter ihr her war.
Bis sie wussten, in was sie da hineingeraten war, gingen sie kein Risiko ein.
Der Einzige, der mit Sicherheit nicht nach ihr suchen würde, war Tighe selbst.
Sie presste ihren Handballen fest gegen ihre Brust und versuchte so den brennenden Schmerz zu lindern. Die Tränen, die sie den ganzen Tag über zurückgehalten hatte, brachen sich nun Bahn. Delaney sank auf das Bett und ließ ihnen freien Lauf. Die Tränen mündeten in ein Schluchzen, da sie um den Mann weinte, den sie nicht verstanden und kaum gekannt hatte. Ihr eigenes Handeln konnte sie nicht in Zweifel ziehen. Sie hatte getan, was sie tun musste. Aber sie konnte das Ergebnis bedauern. Und das tat sie. Sie fand es schrecklich, dass Tighe so tief in illegale Aktivitäten verstrickt gewesen war, dass er lieber sein Leben geopfert hatte, als sich verhören zu lassen.
Weinend lag sie da und litt unter dem Verlust. Es hatte irgendeine unerklärliche Verbindung zwischen ihnen gegeben. Sie hatte gespürt, dass er eigentlich gut gewesen war, hatte es gesehen, als er sich so eingesetzt hatte, ein kleines Mädchen zu retten, dass er dem FBI schließlich in die Falle getappt war. Und er hatte sie verstanden, vielleicht sogar besser als sie selbst. Er hatte behauptet, dass sie nur aus einem Rachebedürfnis heraus nach Mördern jagte. Das stimmte. Absolut. Aber es war noch mehr als das, das wurde ihr jetzt klar. Irgendwo in ihrem Hinterkopf saß noch der kindliche Glaube, dass alles wieder gut werden würde, wenn sie es schaffte, den Mann zu fassen, der ihre Mom getötet hatte; dass sie dann ein für allemal von dem Schmerz befreit wäre, mit dem sie seit Jahren lebte.
Aber dieser Schmerz war noch so viel mehr als Rache. Er war Verlust und Kummer. Betrug.
Einsamkeit.
Als die Tränen, die sie seit Jahren zurückgehalten hatte, einmal liefen, waren sie nicht mehr aufzuhalten. Sie
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