Ungezaehmte Begierde
Ich habe keine Lust mehr, deine Gefangene zu sein. Ich will mein Leben zurück. Ich will, dass du in meinen Kopf eindringst, damit ich dich ein für allemal los bin.«
Ihre Wut schwappte als eine heiße, beißende Welle über ihn hinweg und löste einen brennenden Schmerz in seiner Brust aus. Wenn er mit ihr fertig war, würde sie sich nicht mehr an ihn erinnern, an überhaupt nichts, was ihn betraf. Aber er hatte das schreckliche Gefühl, dass er sie niemals vergessen würde.
Tighe nahm ihr Gesicht, küsste sie heftig und provozierte damit, von ihr weggestoßen zu werden. Er wollte einen Beweis dafür bekommen, dass sie ihn loszuwerden versuchte. Ihr Widerstand dauerte ganze fünf Sekunden, dann schmolz sie in seinen Armen dahin und erwiderte voller Leidenschaft seinen Kuss, schlang die Arme um seinen Hals und umspielte mit ihrer Zunge die seine. Seine Lust entbrannte aufs Neue – und im nächsten Augenblick strich er durch ihre Haare und wollte ihr die Kleider vom Leib reißen, die sie gerade wieder angezogen hatte, wollte schon wieder in sie hineingleiten.
Was tue ich hier ?
Er dachte nicht nach. Wenn er ihr so nah war, konnte er nicht denken, erst recht nicht, wenn sie ihn berührte und küsste. Er zwang sich dazu, sich von ihr loszureißen, und starrte in ihre verhangenen Augen.
In sich spürte er eine seltsame Mischung aus Beschützerinstinkt und Zärtlichkeit. Der Schmerz in seiner Brust wuchs weiter. Er hob eine Hand und streichelte ihre Wange.
Sie hatte recht. So sehr ihm die Vorstellung, sich aus ihrem Leben zu löschen, missfiel, es musste doch sein. Und je eher, desto besser. Sollte er sie nicht befreit haben, wenn seine Seele sich auflöste, so war ihr Leben zu Ende. Dafür würde Lyon schon sorgen.
Er strich mit dem Daumen über ihren hohen Wangenknochen.
»Tust du es?«, fragte sie.
Tighe nickte bedächtig und sammelte sich für die bevorstehende Aufgabe. Er hatte noch nie zuvor Schwierigkeiten gehabt, in das Bewusstsein eines Menschen einzudringen. Aber er hatte auch noch nie versucht, die eindrucksvollen Schranken von Delaney Randall zu durchbrechen. Vielleicht war dies das Problem.
»Warum versuchst du nicht, mir diesmal zu helfen, Dee? Wenn du spürst, dass ich mich gegen deinen Geist dränge, dann lass mich rein. Wehr dich nicht.«
»Ich habe mich nicht gewehrt.«
»Doch, aber vielleicht nicht bewusst. Ich will, dass du dir diesmal wünschst, dass ich in dein Denken eintrete. Weißt du noch, wie ich dich aus der Dunkelheit gezogen habe?«
»Wird es genauso sein?«
»In gewisser Weise ja. Aber in der Nacht warst du nicht wachsam. Du warst überhaupt nicht mehr da. Ich musste sehr weit eindringen, um dich zu finden und dich zurückziehen zu können.«
»Hättest du zu diesem Zeitpunkt die Kontrolle über mein Bewusstsein übernehmen können?«
»Wahrscheinlich. Wenn ich Zeit gehabt hätte. Sobald ich dort bin, muss ich dich von dem Klon lösen.«
Sie sah ihn aufmerksam an. »Von was?«
»Von dem … ach, vergiss es einfach. Sag Bescheid, wenn es unangenehm ist, dann höre ich auf. Bist du bereit?«
»Ja.«
Er schob ihr die feuchten Haare aus dem Gesicht. »Denk an die Nacht, als ich dich gesucht habe. Erinnere dich daran, wie du mich gebraucht hast. Dass du mich wieder brauchen könntest. Dann lass mich ein. Jetzt. Lass mich ein, Delaney.«
Er ließ die Daumen zu ihren Schläfen gleiten, rieb sanft darüber und sah ihr tief in die Augen. »Ich tue dir nicht weh, Rehauge. Lass mich nur ein.« Er drängte diesmal nicht, dennoch schmeckte er ihre Lust auf seiner Zunge. Sie erwachte zwar nur langsam, aber sie erwachte.
»Du bringst mich wieder zum Höhepunkt, stimmt’s?«, flüsterte sie, aber ihre Stimme klang nun leise und ausdruckslos, als wäre sie zumindest teilweise hypnotisiert.
»Das sollte eigentlich nicht so sein, aber offenbar passiert es jedes Mal, wenn ich dir zu nahe komme. Entspann dich, Delaney. Lass mich ein.«
Er spürte, wie ihr Widerstand ganz langsam nachgab. Sein Puls schlug unruhig. Er war entsetzt. Es funktionierte. Er konnte sie zurückschicken.
Er spürte, wie er ihren Geist berührte und dieser sich ihm auf einmal öffnete. Er war in ihr.
»Braves Mädchen. Entspann dich, Dee. Wollen mal sehen, was wir hier haben.« Wieder stieß er auf diese wirren, verhedderten dunklen Dämonenfäden und versuchte ihnen zu folgen und herauszufinden, wo sie befestigt waren. Verdammt, sie saßen tiefer, als er erwartet hatte.
Er spürte ihre wachsende Anspannung.
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