Ungezaehmte Leidenschaft
schmerzhaft tief in sein Fleisch bohrten. Doch plötzlich ließ Lyon ihn los, und sein Blick wanderte langsam zwischen den beiden neuen Kriegern des Lichts hin und her.
»Ich würde euch beide schwer bestrafen, nähme ich nicht an, dass die Hexe das bereits getan hat. Ihr habt diese Hölle mit einer Loyalität zueinander überstanden, wie man sie selten findet. Schenkt diese Loyalität den neun, und ihr werdet gute Krieger des Lichts abgeben. Tut ihr das nicht …« Seine Augen funkelten warnend. »… und bedroht einer von euch jemals wieder einen von uns, werde ich umgehend dafür sorgen, dass ihr den Platz für eure Nachfolger freimacht.«
Paenther sah den Mann prüfend an, erkannte sowohl seine Kraft als auch seinen Gerechtigkeitssinn und war noch stolzer darauf, ein Krieger des Lichts zu sein.
»Geht wieder auf euren Platz im Kreis zurück«, knurrte Lyon.
Paenther schlug sich mit der Faust auf die Brust und sah Lyon in die Augen. »Meine Loyalität gehört dir.«
Lyon nickte einmal kurz. »Gut.«
Als Ancreta endlich auf das Felsplateau gezerrt wurde, war Paenthers Haar triefend nass von geschmolzenen Schneeflocken und seine Hände fast taub vor Kälte.
Die blonde Schönheit kauerte ängstlich zu seinen Füßen.
»Sieh deinem Schicksal ins Gesicht!«, stieß Paenther wütend hervor. In der Hand hielt er ein Messer, das einer der Krieger ihm gegeben hatte. Er sah Vincent an. »Den Kopf oder das Herz?«
»Den Kopf.«
Paenther nickte einmal kurz, dann stieß er die Hexe zu Boden. Sie lag auf dem Rücken und wehrte sich, doch er wollte, dass sie den Tod auf sich zukommen sah. Als er die Angst in ihren Augen, deren Iris von einem kupfernen Ring eingefasst war, aufblitzen sah, erkannte er wieder die unschuldige, junge Schönheit, für die er sie gehalten hatte, als er vor so vielen Monaten zu ihrer Rettung herbeigeeilt war. Ein Akt der Ritterlichkeit, den er seitdem mit jedem Atemzug bereute.
Er kniete sich neben sie auf den Boden und holte mit der Klinge aus, während Vincent, der ihm gegenübersaß, die gleiche Bewegung vollführte.
»Hexe, stirb«, sagten sie wie aus einem Munde.
Während Vincent ihr den Kopf abschlug, dass das Blut nur so spritzte, schnitt Paenthers Klinge ihr das Herz aus der Brust. Primitive, grimmige Genugtuung erfüllte ihn und sorgte dafür, dass seine Seele wieder Frieden fand.
Es war vollbracht.
Die beiden Männer kamen gemeinsam hoch. Sie waren über und über mit Blut bedeckt, doch ihr wütender Zorn war befriedigt.
»Seid ihr jetzt bereit, es noch einmal zu versuchen?«, fragte Lyon.
Vincent nickte, und der Anflug eines Lächelns zuckte um seine Lippen, doch sein Blick blieb argwöhnisch und hart. »So bereit wie ein wollüstiger Hengst.«
Wieder bildeten die Krieger, deren Brust mit Blut bedeckt war, einen Kreis und streckten die Faust nach oben. Dieses Mal war es nicht Paenther, der sich verwandelte, sondern Vincent, der unter funkelnden Sternen seine Gestalt veränderte. Wo eben noch er gestanden hatte, wand sich jetzt eine riesige schwarz-grüne Schlange, deren Schuppen glitzerten, während sie länger und dicker wurde. Zwei Meter, drei Meter und schließlich fast fünf Meter lang.
Erneut blitzte es auf, und Vincent nahm wieder seine ursprüngliche Gestalt an. Er grinste wie ein Idiot, seine Haare waren fort, sein kahler Kopf schimmerte, und ein goldener Armreif mit dem Kopf einer Schlange lag um seinen Oberarm.
Die überwältigende Freude, die Paenther erfasste, war fünfmal größer als in dem Moment, als er selbst seine Gestalt gewandelt hatte.
»Von nun an«, sprach Kougar, »wirst du für uns Vhyper sein.«
Vincent alias Vhyper stieß einen Freudenschrei aus, und ein Grinsen breitete sich auf seinem ganzen Gesicht aus, als die beiden Männer sich umarmten und einander auf den Rücken klopften. Sie lösten sich voneinander und packten sich an den Schultern.
»Ist das nicht ein erstaunliches Gefühl, wenn man sich verwandelt, mein Freund?«, fragte Vhyper. »Dieser Rausch. Dieses unsägliche Wohlgefühl.«
»Es ist ein herrliches Gefühl«, stimmte Paenther ihm zu. Die anderen hatten ihm erzählt, womit er ungefähr zu rechnen hatte. Doch für ihn war die Verwandlung nur mit Schmerz verbunden gewesen. Ein Schmerz, der es mit dem Zorn aufnehmen konnte, den Ancreta seiner Seele aufgedrückt hatte. Die Hexe mochte zwar tot sein, doch er fürchtete, dass ihr Vermächtnis ihn bis ans Ende seiner Unsterblichkeit begleiten und quälen würde.
Sein Hass auf alles
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