Ungezaehmte Nacht
unerschütterlich geblieben ist, und um dir zu zeigen, was Gnade und Erbarmen sind. Sollte jemals eine Frau herkommen, die Don DeMarco als Mann und nicht als Tier sieht, eine, die zähmen wird, was unbezähmbar ist, und lieben wird, was nicht liebenswert ist, wird sie den Fluch brechen und deine Kindeskinder und alle, die deinem Hause treu bleiben, retten können.‹«
In Erwartung dessen, was sie als Nächstes hören würde, krallte Isabella die Finger in den Stoff der schweren Daunendecke auf dem Bett, und fast hätte sie Sarina daran gehindert, es auszusprechen. Doch es war zu spät, denn die Wirtschafterin fuhr schon fort:
»Bevor Sophia ein weiteres Wort äußern konnte, wurde sie enthauptet. Don DeMarco konnte seine im Zorn gesprochenen Worte nicht mehr zurücknehmen. Seine Frau war tot. Nichts würde sie zurückbringen. Ihr Blut durchtränkte den Boden, und bis zum heutigen Tag wächst nichts in diesem Hof. Er begrub sie, und sie ruht tief unter dem Palazzo. Aber sie zu begraben befreite ihn nicht von seiner furchtbaren Tat. Er konnte nicht mehr essen und nicht mehr schlafen. Die Zustände im Tal verschlimmerten sich. Don Alexander wurde immer dünner und müder. Was er seiner Frau angetan hatte, fraß an ihm. In aller Stille begann er, die Anklagen gegen Sophia zu überprüfen, wie er es hätte tun sollen, bevor er sie verurteilte. Dabei gelangte er zu der Überzeugung, dass Sophie wirklich unschuldig gewesen war und er eine furchtbare Sünde, ein entsetzliches Verbrechen begangen hatte. Er hatte nicht nur seinen Feinden erlaubt, seine Frau zu ermorden, sondern sie dabei auch noch unterstützt! Don Alexander ging zu den anderen Dons und legte ihnen die Beweise für die schändliche Tat vor, an der sie beteiligt gewesen waren. Und auch sie begriffen, dass ihre Frauen sie aus bloßer Eifersucht auf Sophie missbraucht und zu der Tat getrieben hatten.«
Isabella sprang auf und ging dann ruhelos im Zimmer auf und ab. »Jetzt weckst du Mitleid in mir für alle, obwohl sie es verdienten, unglücklich zu sein. Vor allem dieser Alexander.«
»Er hat sehr gelitten, Signorina Isabella. Schreckliche Dinge geschahen, und er konnte nichts anderes tun, als hilflos den Zerfall der drei großen Geschlechter mit anzusehen. Don Alexander beschloss, nach Rom zu gehen, um jemanden zu suchen, der mit ihm über den christlichen Glauben sprach. Er suchte Erlösung, irgendeinen Weg, das von ihm begangene Unrecht wiedergutzumachen. Am Ende unternahm er die Reise nicht allein. Die Oberhäupter der beiden anderen Häuser begleiteten ihn. Zu dritt machten sie sich also auf nach Rom, nur um festzustellen, dass Christen dort wie Tiere zusammengetrieben worden waren und zum Vergnügen der Menge von Löwen zerrissen wurden. Es war eine hässliche und beängstigende Szene, diese Raubtiere Männer, Frauen und Kinder in Stücke reißen zu sehen.
Alexander wurde fast verrückt und schwor, die Löwen zu vernichten. Er fand den Weg zu den unterirdischen Gewölben, wo die Tiere gehalten wurden. Sie hockten in Käfigen, angekettet, ohne Futter, verhöhnt und gequält. Offenbar saß jeder Löwe in einem so kleinen Käfig, dass das Tier sich nicht einmal umdrehen konnte. Die Wächter quälten die großen Katzen und rissen ihnen die Haut auf, um ihren Hass auf alles Menschliche noch zu verstärken. Alexander ging mit gezücktem Schwert zu einem Käfig, um die Waffe in das Tier zu stoßen, doch dann bekam er Mitleid mit dem Löwen. Das Mitleid, das er für seine eigene geliebte Frau nicht hatte aufbringen können. Er konnte sich nicht dazu überwinden zu töten, da er selbst so schuldbeladen war. Die anderen Dons versuchten, ihn dazu zu überreden, aber er hörte nicht auf sie, sondern bestand darauf, dass sie sich in Sicherheit brachten. Dann befreite er die Löwen aus den Käfigen, in der sicheren Erwartung, von ihnen umgebracht zu werden.«
Sarina seufzte und stellte ihre Tasse auf das Tablett zurück. »Als die drei Dons ins Tal zurückkehrten, soll Don DeMarco Narben im Gesicht gehabt haben, und die Löwen sollen friedlich neben ihm hergegangen sein. Trotzdem war es noch keine Erlösung. Er konnte kein Glück mehr finden und seine Kinder und deren Kinder auch nicht. Als die drei Männer wiederkehrten, waren die anderen beiden Häuser nur noch Ruinen. DeMarco legte sie zu einem einzigen Besitz zusammen und versiegelte das Tal vor Eindringlingen. Seitdem sind die drei Familien zusammengeblieben, und ihre Lebenswege sind miteinander
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