Ungezaehmte Nacht
während die Hauptmänner die beiden schon aus dem Hof wegzogen.
Sie stolperten von dem Bereich zurück und beobachteten in sprachlosem Entsetzen, wie der Boden sich wölbte und auseinanderbrach, um einen tiefen Riss zu bilden. Regentropfen klatschten zu Boden, und grelle Blitze zuckten zwischen den dunklen Gewitterwolken am Himmel auf.
»Weg hier!«, rief Francesca und rannte auf die Sicherheit des Palazzos zu.
Donner grollte, und ein blendend greller Blitz schlug in den gähnenden Abgrund auf dem Burghof ein. Der Einschlag war so heftig, dass er einige Leute von den Füßen riss. Das laute Donnergrollen war ohrenbetäubend, und die Luft knisterte vor Elektrizität. Übel riechender Rauch stieg aus dem tiefen Loch auf und löste sich in dem kühlen, sauberen Regen wieder auf.
Nicolai drückte Isabella an die Wand des castello und schützte sie mit seinem Körper. Der Boden hörte nicht auf, sich zu wölben und zu verlagern. Als Isabella sich unter Nicolais Arm duckte, um etwas zu sehen, hob er ihn widerstrebend, um ihr einen Blick auf die aufgewühlte Erde zu erlauben, die sich von beiden Seiten her zu dem tiefen Spalt verlagerte, um ihn wieder aufzufüllen. Noch ganz erschüttert von den Ereignissen, schöpfte Isabella Luft, um sich zu beruhigen, und hielt sich an Nicolais Hemd fest wie an einem Rettungsanker.
In bestürztem Schweigen blickten sie sich an und starrten auf den Hof hinaus. Für einen langen Moment sprachen sie nicht und regten sich auch nicht. Der Regen prasselte auf sie herab, doch er war nicht grau und trist, sondern sauber und erfrischend.
Nicolai brach als Erster das Schweigen. »Sind alle in Ordnung? Niemand verletzt? Sieh drinnen nach, Sarina! Und dann kümmere dich bitte um Isabellas Bruder!«
Alle betrachteten sich gegenseitig, um nach Verletzungen zu suchen.
»Es ist vorbei«, verkündete Francesca. »Du hast es geschafft, Isabella. Du hast uns alle befreit. Sophia ist bei Alexander, und sie sagt, ich solle dir im Namen all der ›anderen‹ danken. Sie dankt dir ganz besonders dafür, sie und Alexander von ihrer Qual befreit zu haben.«
»Die Entität ist nicht länger da?« Isabella starrte auf den geschwärzten Hof. »Dann war sie in der Erde eingeschlossen?« Sie konnte es fast nicht glauben. Jetzt, da es vorbei war, wollten ihre Beine sie nicht länger tragen, und sie lehnte sich Halt suchend an Nicolai. »Ist es vorbei? Kannst du es spüren? Bist du sicher?« Sie schaute in seine faszinierenden Augen und war überrascht von der Mischung aus Kummer und Freude, die sie dort sah.
»Ich kann die Löwen hören und mich mit ihnen verständigen, doch wenn ich das Tier in mir zu erreichen versuche, ist es nicht mehr da.« Er sah richtig hilflos aus.
Isabella schloss ihn noch fester in die Arme. »Es muss ein beängstigendes Gefühl sein, einen Teil von sich selbst nicht mehr zu finden.«
»Ich spüre es auch nicht mehr«, gab Francesca zu.
»Ich konnte nur dann zum Tier werden, wenn ich sehr, sehr wütend war«, flüsterte Theresa in der Geborgenheit von Rolandos Armen. »Ich bin froh, dass es fort ist. Es hat mir große Angst gemacht.«
Ein Zittern durchlief Nicolai, als er Isabella, seine Rettung und die Liebe seines Lebens, an sich drückte. »Und mich ängstigt die Tatsache, dass es nicht mehr da ist«, murmelte er, das Gesicht in ihrem Haar verborgen. »So wie es mich ängstigt, dass du mir gehörst, obwohl ich dich nie verdienen werde.«
»Du wirst es überstehen. Gemeinsam werden wir es überstehen.« Sanft nahm sie sein Gesicht zwischen ihre Hände und stellte sich auf die Zehenspitzen, um ganz sachte, aber voller Zärtlichkeit seine Lippen mit den ihren zu berühren.
So flüchtig die Liebkosung war, erschütterte sie Nicolai doch bis ins Herz. Er schob die Hände unter ihr nasses, aufgelöstes Haar und verlor sich in seiner bestrickenden Fülle. »Du bist mein Leben, Isabella. Du weißt, dass du mein Leben bist«, raunte er und küsste sie mit ungeheurer Zärtlichkeit. » Ti amo, cara mia . Für alle Zeiten.«
»Don DeMarco?«, sagte Rolando Bartolmei mit schroffer Stimme. »Ich bitte um eine offizielle Begnadigung für meine Frau.«
Nicolai hob den Kopf und drehte sich zu seiner Cousine um. »Wir haben alle Fehler gemacht, Theresa. Ich hoffe, du vergibst mir meine.«
Mit tränenfeuchten Augen schmiegte Theresa sich noch fester an ihren Mann. »Es tut mir wirklich aufrichtig leid.«
»Keiner von uns ist ohne Schuld«, erwiderte Nicolai und schaute Isabella
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