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Ungleiche Paare

Titel: Ungleiche Paare Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Bittrich
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Weg zum Telefon, das sich irgendwo in der Dämmerung hinter den Stellwänden verbarg.
    Zum ersten Mal vermochte ich mich zu entspannen beim Blick auf die Plunderkisten und auf die Bilder in kalkigem Rot und Ocker an der gegenüberliegenden Wand. Tatsächlich war auf den Akten und Stillleben immer eine Zutat aus ihrem Sammelsurium zu sehen. Eine Meerschaumpfeife. Ein Trinkhorn. Ein Schrumpfkopf. Schön.
    Ich lehnte mich zurück. Ja, ich konnte vertrauensvoll mitmachen. Und jetzt saß ich auch richtig.
    Draußen brummte eine Cessna durch den blauen Nachmittag, ein letzter spätsommerlicher Rundflug. Sie wob einen dünnen Faden in den Himmel. Der Ruf eines Kindes im Hof, Antwort eines anderen von weit her. Widerhall eines Balls, der gegen eine Wand gekickt wurde. Tuckern eines Bootes vom Alsterkanal her. Dann ein überraschendes Zirpen, ganz nah, im Vorüberschießen am Fenster. Eigentlich sollten die Schwalben schon weg sein; blieben sie jetzt bis Oktober?
    Alles willkommen. Die Sonne wärmte den Kopf und den Nacken. Eine Fliege durchsummte den Raum. Irgendwo hinten raunte Kims Stimme am Telefon wie in einem endlos quellenden Selbstgespräch.
    Was für ein Frieden! Bald schon würde das Abendläuten beginnen. So lange könnte ich warten. Und die Stadt, die jetzt noch unter einem hellen, luftigen Dach lag, würde mit ihren Türmen und Antennen ein dämmriger Scherenschnitt werden gegen den sich in Dunkelheit lösenden Raum. Und ich durfte hier sitzen und brauchte nichts zu tun. Konnte mich malen lassen oder auch nicht. Das war es schon. Wunschlos.
    Kim kehrte betreten vom Telefon zurück. Um ihre Verlegenheit zu verbergen, stemmte sie die Arme in die Taille,die schmaler war, als das weite Jeanshemd hatte vermuten lassen.
    »Vogelmaske ja, Kostüm nein.«
    »Kapiere ich nicht.«
    »Ich soll dich nackt malen.«
     
    Genau diese Art Modellsitzung hatte ich mir zusammenphantasiert. Sogar vorbereitet hatte ich mich darauf. Doch inzwischen hatte ich mich in die harmlose Variante entspannt. Nun pochte der Puls in den Schläfen.
    »Das überrascht mich jetzt«, räusperte ich mich. »Das muss ich erst mal ... « Mir fiel nicht ein, was.
    »Ob Hannah sich das richtig überlegt hat, weiß ich auch nicht«, sagte Kim mit krauser Stirn und ordnete ihre Stifte. »Was mich betrifft, brauchst du keine Hemmungen zu haben. Ich habe an der Kunsthochschule so viele nackte Männer Modell sitzen sehen, dass mich nichts mehr überrascht. Und erst recht nichts mehr aufregt. Da kannst du sicher sein.«
    »Nackt, aber mit Vogelkopfmaske?«, wiederholte ich ungläubig.
    »So würde ich es erst mal skizzieren. Und wenn du das Gefühl hast, das geht zu weit, dann lassen wir es einfach.« Ich dachte an Jakob und Alexander.
    »Nein, nein, ist schon okay«, murmelte ich möglichst sachlich.
    »Also dann.« Sie nahm es achselzuckend hin. Sie war nur ausführende Handwerkerin. »Jedenfalls brauchst du hier keinen Strip hinzulegen. Sieh es nüchtern. An der Kunsthochschule würdest du eine Pauschale kriegen. Hier nicht mal das. Zieh dich einfach aus.«
    Und das tat ich. Wie vor Jahren beim Schwimmunterricht, als es keine Einzelkabinen gab und die Jungs einander verstohlen taxierten.
    »Die Vogelkopfmaske kannst du eben mal weglegen, die setzen wir dir später wieder auf.«
    Kim beschäftigte sich mit ihren Kameras, spitzte Stifte, blätterte summend im Zeichenblock, holte Wasser für die Aquarellfarben und sah amüsiert und nachsichtig zu, wie ich mich aus den Jeans mühte und mit unsicheren Fingern das Hemd aufknöpfte. Fehlte noch ihr Kommentar, es verrate viel über einen Menschen, wie er sich ausziehe.
    Als es am Ende darum ging, die Boxershorts abzustreifen, drehte ich ihr den Rücken zu, wie am Strand, wenn das Badelaken zum Umbinden fehlt.
    Sie gab sich keine Mühe, Desinteresse vorzutäuschen. Sie schnalzte sogar mit der Zunge, belustigt oder anerkennend. »Na ja, knackiger Arsch, das muss ich zugeben.«
    Mir half das nichts. Die Mitte blieb eingeschrumpft, entschieden kleiner als normal, beinahe nach innen gezogen wie die erschreckten Fühler einer Schnecke. Eine Erläuterung war fehl am Platz, mir wäre auch keine eingefallen. Ich wandte mich möglichst gleichgültig um.
    Die Verlegenheit entging ihr nicht.
    »Alles im grünen Bereich«, lächelte sie und sah freimütig hin wie ein Arzt bei der Musterung; mit dem Unterschied, dass sie sich einen Anflug von Spott nicht verkneifen konnte. »Das ist eine ganz natürliche Befangenheit. Spricht nur

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