Ungnade: Thriller (German Edition)

Irak oder in Afghanistan oder…?«
    Hudson nickte schweigend.
    » Und dann al-Qaida«, fuhr Paul kopfschüttelnd fort. » Ich meine, die haben das dann doch echt auf eine neue Stufe der Perfektion gehoben. 1983 die Amerikanische Botschaft in Beirut und dann der 11. September. Der perfekte Anschlag durch in einem Fahr- oder Flugzeug deponierten Sprengstoff. Hat mich eine schöne Stange Geld gekostet, als die Aktienkurse anschließend in den Keller fielen.«
    Hudson leerte seine Tasse und wischte sich mit der Serviette die Schweißperlen ab, die sich auf seiner Stirn gebildet hatten. Immerhin schien es, als wäre dieser Teil ihrer Unterredung damit abgeschlossen.
    » Wie ich vorhin schon sagte«, setzte er seinerseits an, » würde ich gern wissen, was denn nun so Besonderes an diesem Job ist, dass Sie mich persönlich treffen wollten? Warum kommunizieren wir nicht so miteinander wie bisher?«
    Was Hudson viel lieber gefragt hätte, aber nicht konnte, war hingegen: Was denkst du dir eigentlich dabei, mit einem Treffen in aller Öffentlichkeit ein solches Risiko einzugehen, du Vollidiot?
    » Das ist…«, wieder hielt Paul zur Erhöhung der Spannung einen Moment lang inne, » etwas heikel.«
    » Inwiefern?«
    » Nun, das ist vielleicht doch nicht ganz der richtige Ausdruck…«
    Nun komm endlich auf den Punkt.
    » Haben Sie schon einmal einen Polizeibeamten getötet?«
    » Wissen Sie«, sagte Hudson, » ich glaube, ich muss Ihnen voll und ganz recht geben. Heikel ist wahrhaftig nicht ganz der passende Ausdruck.«
    Er erhob sich, zog einen Zehn-Pfund-Schein aus der Tasche und schob ihn unter seine leere Tasse. » Der Kaffee geht auf mich. Aber wir sollten so ein Treffen nicht wiederholen, okay?«
    » Fünfhunderttausend«, sagte Paul.
    Hudson starrte ihn an. Hatte er richtig gehört?
    » Fünf– hundert– tausend«, wiederholte Paul.
    Das Zehnfache der höchsten Summe, die er bisher von diesem Mann erhalten hatte. Hudson sah die Straße hinunter und nickte seinem Kollegen zu, der dreißig Meter weiter im Auto wartete, um ihm zu verstehen zu geben, dass er sich noch eine Weile würde gedulden müssen. Dann setzte er sich wieder hin.
    » Ich habe mir doch gleich gedacht, dass das Ihr Interesse wecken würde«, sagte Paul.

1 . Teil: Die Ziele

1
    Rebecca Irvine blickte in den Spiegel und war zum ersten Mal seit geraumer Zeit zufrieden mit dem, was sie sah. Seit etwa einem Jahr hatte sie ihr Haar wachsen lassen– seit ihr Ehemann Tom ausgezogen war, um genau zu sein. Die frühere Blondierung war von einer Tönung überdeckt worden, die dem natürlichen Dunkelbraun ihrer Haare ähnlich sah.
    » Becky, nun mach schon. Wir wollen doch nicht zu spät kommen!«, rief ihre beste Freundin Hannah Fraser von unten herauf.
    Rebecca öffnete eine Schublade ihres Nachttischchens und betrachtete den Briefumschlag, den ihr Anwalt ihr geschickt hatte. Er enthielt den endgültigen gerichtlichen Bescheid, durch den ihre Scheidung bestätigt wurde. Sie hatte das Gefühl, einen Teil ihres Lebens verloren zu haben, den sie niemals zurückbekommen würde. Nicht dass sie auch nur eine Sekunde lang bereute, dass aus der Ehe ihr Sohn Connor hervorgegangen war, doch es würde ihr einiges abverlangen, weiterhin in ihrem Beruf als Detective Constable in der Kriminalabteilung der Strathclyde Police zu arbeiten und gleichzeitig für ihre kleine Familie da zu sein.
    Sie nahm ihr Handy und scrollte sich durch ihr Adressbuch, bis sie auf die Nummer von Logan Finch stieß, dann aber zögerte ihr Finger.
    » Du rufst ihn bitte nicht an«, sagte Hannah, die in Rebeccas Schlafzimmertür aufgetaucht war und sich an den Rahmen lehnte. » Du weißt genau, dass das heute ein Frauenabend werden soll.«
    Rebecca hatte Hannah nicht die Treppe heraufkommen hören. Sie drehte das Mobiltelefon in der Hand um und grinste ihre Freundin verlegen an.
    » Sei nicht böse«, sagte sie, » aber das mit uns ist irgendwie immer noch so neu. Wir sind doch erst fünf Mal miteinander ausgegangen. Hinzu kommt, dass Logan die Sache mit Ellie durchmachen musste. Es ist einfach so, dass…« Sie verstummte, ehe sie sich noch verplapperte.
    Hannah kannte bisher nur die offizielle Version der Geschichte: Logan Finchs frühere Freundin, Penny Grant, war ermordet worden, und Ellie, ihre jetzt dreizehn Jahre alte Tochter, hatte drei Tage später in traumatisiertem Zustand vor Logans Wohnungstür gestanden. Logan war Ellies Vater, also hatte er sie bei sich aufgenommen und tat nun sein