Unguad
war ihm nur recht, so würde
sie das Gespräch nicht beunruhigen.
Heidemarie Wieland schaltete sich ein. »Ich denke ja nicht, dass
Elvira umgebracht wurde. Warum auch? Heißt es nicht, sie sei erstickt?
Vielleicht hat sie einen ihrer Asthmaanfälle bekommen. Sie war nämlich
hochgradig allergisch. Wir können ganz beruhigt sein, es war ein Unfall.« Sie
schaute in die Runde, wartete auf Zustimmung.
Den anderen war jedoch nicht danach. Diese Version der Geschichte
wäre ja viel zu langweilig gewesen.
»Allerdings ist es nicht ganz von der Hand zu weisen, dass es sich
auch um Mord handeln könnte«, widersprach Frau Lehner und zog bekräftigend ihre
dunkelrote Strickjacke über ihrer molligen Figur zurecht.
Tibor von Markovics ergriff wieder das Wort. »Dieser Ansicht bin ich
ebenfalls. Deshalb sollten wir nicht ganz so unbeteiligt sein.« Er lehnte sich
etwas nach vorne. »Wir sollten uns Gedanken machen, wer der Täter sein könnte.
Denn der dürfte ja noch unter uns weilen.« Ein erschrockener Blick von Ilselore
traf ihn. »Ja, und darum müssen wir unsere verbliebenen grauen Zellen
anstrengen. Wer hätte ein Motiv?«
»Aber lieber Tibor, wie sollen wir das anstellen? Wir sind alt! Wir
sehen schlecht, können kaum gehen, hören schwer, kommen hier nicht heraus! Also
bitte! Wie stellen Sie sich das vor?«
»Sie haben ganz recht. Wir können vielleicht nicht sehen, gehen,
hören, wir können jedoch denken! Und wir kennen unsere Pappenheimer. Das kann
Spaß machen, Ilselore! Bereits der berühmte Hercule Poirot wandte sich gegen
Aktionismus. Im Lehnstuhl sitzend und die grauen Zellen ihre Arbeit machen
lassend, so kam er auf die Lösung. Das können wir ebenso!«
»Ja, und Miss Marple war auch schon alt und gebrechlich. Trotzdem
löste sie jeden Fall in St. Mary Mead.« Alle schauten Magdalena ungläubig
an. Als die Namen ihrer geliebten Krimihelden genannt wurden, war sie aus ihrer
Lethargie erwacht.
»Genau, Buzsikám .« Tibor lenkte das
Gespräch wieder in seichtere Bahnen. Eine Dreiviertelstunde später drängte er
zum Aufbruch.
In der allgemeinen Verabschiedung erinnerte sich Frau von Hohenstein
daran, dass sie für Frau Lehner noch einen Auftrag hatte.
»Bärbel, meine Liebe. Nimm doch bitte diese goldene Uhr von mir mit
zu Herrn Szabó. Er soll einmal sehen, ob er sie reparieren kann.«
»Herr Szabó repariert Uhren?« Das war Frau Wieland neu.
»Ja, früher war er Uhrmacher. Und obwohl ihm jetzt die Steifheit
seiner Gelenke manchmal Schwierigkeiten bereitet, ist er noch hinreichend
geschickt. Er hat mir schon manches Mal geholfen«, erklärte Frau von
Hohenstein.
Magdalena gab ihr die Hand und lächelte. »Ilselore, vielen Dank für
den entzückenden Nachmittag und den guten Tee.«
Fünfzehn Uhr
Natürlich hatte ich doch keine Zeit, wieder ins Haus Sonnenhügel
zu gehen. Meine Detektivarbeit musste bis morgen warten. Nach dem Mittagessen
waren meine Kinder an der Reihe. Irgendjemand hatte immer einen Termin, zu dem
ich fahren, ein Problem, das ich lösen, Hunger, den ich stillen musste. Dieses
Mal war es ein Kieferorthopädietermin von Susa. Vicky hatte ich bei ihrer
Freundin XeXe untergebracht. Die Mädels waren eh unzertrennlich, so war es
keine Kunst. Und die beiden Großen, die Zwillinge Linus und Lilli, waren schon
fünfzehn und nur noch pro forma unter unserer Adresse gemeldet.
Also fuhren wir zwei allein nach Passau. Ich hatte ihr – ganz ohne
Hintergedanken, versteht sich – eine kleine Shopping-Tour nach überstandener
Tortur versprochen. So war ihre Laune eigentlich ganz gut.
Die Fenster weit geöffnet, die Haare vom Fahrtwind verwirbelt, Radio
Energy auf voller Lautstärke, so düsten wir fröhlich über die kurvenreichen
Rottaler Hügel. Es war nicht viel Verkehr, daher konnte ich die ländlichen
Schönheiten auf der Strecke genießen. Wir durchquerten ein paar kleinere
Ortschaften, deren weiß getünchte Kirchen auf die um sie versammelten
Bauernhöfe aufzupassen schienen. Dazwischen fuhren wir an blühenden Raps- und
wogenden Sommerweizenfeldern vorbei. Auf einer Anhöhe präsentierte sich ein
renovierter Pferdehof. Das hölzerne, selbst gemalte Schild an der
Zufahrtsstraße wies ihn amüsanterweise als »Ranch« aus. Einige gefleckte Ponys
grasten auf der eingezäunten Weide und erinnerten mich an »Bonanza«, fester
Bestandteil meiner jugendlichen Fernsehnachmittage. Kurz vor Fürstenzell
überholten wir eine Gruppe von Rennradfahrern. Manche hatten sichtlich mit der
lang
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