Unguad
angehört. Meine Neugierde war allerdings
stärker gewesen.
Die Dozentin, Frau Dohrer, eine nette Heilpraktikerin aus der Nähe
von Eggenfelden, hatte uns das Weltbild des Schamanismus mit seinen drei
gleichberechtigten Bereichen untere, mittlere und obere Welt erklärt. Mittels
Trommelklängen würden wir in eine tiefe Entspannung versetzt, in der wir in
eine der Welten reisten. Man könnte mit einer bestimmten Fragestellung oder
Aufgabe aufbrechen. Bilder würden aus unserem Unbewussten aufsteigen und dann
die Antwort geben. Sehr spannend.
Beim ersten Treffen war ich ziemlich überrascht gewesen, dass auch
Bärbel Lehner, die ehrenamtliche Helferin aus dem Seniorenheim, an diesem Kurs
teilnahm. Das Erstaunen hatte seinen Grund in meiner Voreingenommenheit.
Irgendwie war ich der Ansicht gewesen, dass so außergewöhnliche Seminare wie
»Schamanische Reisen« eher von Jüngeren besucht würden. Aber das Gegenteil war
der Fall. Die meisten Teilnehmerinnen – es gab nur einen Mann – hatten ungefähr
mein Alter. Einige waren längst in Pension, da fiel Frau Lehner mit ihren
achtundfünfzig Jahren, wie sie uns in der Vorstellungsrunde erzählte, überhaupt
nicht weiter auf. Ich bewunderte es, dass sie Neuem so aufgeschlossen
gegenüberstand.
Nach den Übungsabenden blieben wir oft noch beisammen auf der Straße
stehen und ratschten. Sympathisch war sie mir schon immer gewesen. Bereits mit
ihrem Äußeren hatte sie bei mir punkten können. Zwar mochte sie für den
gängigen Modegeschmack etwas zu rundlich sein, das fiel jedoch erst auf den
zweiten Blick auf. Ihr gütiges Gesicht mit den Lachfältchen um die warmen
dunklen Augen überstrahlte alles. Sie schien allzeit nur das Beste von ihren
Mitmenschen zu denken. Das spürte auch das Gegenüber sofort und fühlte sich
durch ihre herzliche Art wohlig angenommen. Mir war es genauso gegangen. Es war
eine Selbstverständlichkeit gewesen, uns zu duzen.
Bei einer unserer Ratschereien hatte ich sie nach der Motivation für
ihr ehrenamtliches Engagement im Altenheim gefragt.
»Ach, ich wollte einfach etwas Sinnvolles tun. Viele alte Leute sind
sehr einsam, die freuen sich, wenn jemand kommt und sie ein bisschen Ansprache
haben. Außerdem kann ich mir so schon genauer ansehen, wohin ich einmal ziehen
werde.«
»Na, den Einblick hast du jetzt wirklich!«, stimmte ich ihr zu.
Bärbel sah ein wenig verlegen aus. »Nun, eigentlich, liebe Karin,
möchte ich eine Alterswohngemeinschaft gründen.«
»Oh, super!«
»Ja. Mit einer Freundin rede ich schon seit einer ganzen Weile
darüber. Wir fangen jetzt an, eine passende Bleibe zu suchen. Aber es wäre
schön, wenn wir zu dritt wären. Da könnten wir uns eine größere Wohnung
leisten.«
»Du findest doch bestimmt noch jemanden, der mit dir zusammenziehen
will, Bärbel.«
Sie hatte den Kopf hin- und hergewiegt. »Mal schaun.«
Kehren wir jedoch zum jetzigen Abend zurück. Die Übung für diese
Sitzung lautete: Suche dein Krafttier. Es sollte einem Hilfestellung in jeder
Lebenslage geben und vor allem auch Kindern bei Problemen nützen. Das Tier
sollten wir im Anschluss an die Theorie mittels Trommelklängen in der unteren
schamanischen Welt suchen.
Wir lagen alle im Kreis auf Matten am Boden und hatten unsere Augen
geschlossen. Frau Dohrer stand in der Mitte und schlug mit einem
lederummantelten Schlägel auf ihre selbst gebaute Schamanentrommel. Nach einer
Weile des Reisens klappte es bei mir tatsächlich!
Zuerst kam eine Schlange. Relativ lang und mit einer schönen
Zeichnung gemustert, schlängelte sie sich auf mich zu. Sie ringelte sich
behaglich um meine Füße. Ich mochte Reptilien nicht, und normalerweise wäre ich
schreiend davongelaufen. In dieser speziellen Entspannungssituation jedoch
erschien es mir total natürlich. Ein wenig später tauchte auch noch ein Luchs
auf. Seine Größe setzte mich in Erstaunen. Ich nahm seinen leichten
Raubkatzengeruch wahr, der mich seltsamerweise nicht störte. Er stand völlig
ruhig, blickte mich intensiv aus seinen leuchtend grünen Augen an, die Ohren
mit den Haarpinseln wachsam aufgestellt. Es war ganz eindeutig, dass diese
beiden meine Krafttiere sein wollten. Also nahm ich sie nach einem vorher von der
Dozentin beschriebenen Ritual mit nach »oben«, in die Realität.
Die Seminarleiterin meinte, man solle die Tiere in den Alltag
integrieren. Das hieß, öfter an sie denken und in unangenehmen Situationen um
ihre Hilfe bitten. Na, das würde ich ausprobieren.
Nach dem
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