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Unguad

Unguad

Titel: Unguad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Werner
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gezogenen Steigung zu kämpfen. Da lobte ich mir doch mein kleines Auto.
Zwar langsam, aber nicht schweißtreibend erklommen wir den Anstieg. Nach einer
halben Stunde ging es bei Neustift die B 12 zur Donau hinunter. Landeanflug auf
Passau. Unter der Schanzlbrücke war schnell ein Parkplatz gefunden. Der
Kieferdoktor war in der Bahnhofstraße, ein Katzensprung. Entgegen meiner
Befürchtung war der Termin heute ein Klacks, und wir waren bald wieder in der
Sonne draußen. Jetzt konnte es losgehen.
    Kennen Sie Passau? Viele schwärmten und schwärmen davon. Das
niederbayerische Venedig, schließlich umfließen es drei Flüsse, Donau, Inn und
Ilz. Und wenn man bei schönem Wetter Zeit für eine Rundfahrt mit dem Schiff
hat, kann man von dem Panorama, das sich einem bietet, wirklich beeindruckt
sein: der Dom, das Rathaus, zahlreiche Kirchen und alte Prachtbauten. Schon
nett.
    Auch eine frühere Münchnerin wie ich kann dem etwas abgewinnen. Und
es gibt die üblichen Kaufhäuser und Einkaufszentren, alles da. Nur München ist
es halt nicht. Aber mit der Zeit stellt man sich um. Linus ist allerdings
anderer Meinung. Ihm ist es hier zu klein, zu eng und zu langweilig. Ein
eingefleischter Großstadt-Fan. Er behauptet, das käme daher, dass er als
Kleinkind ein paar Jahre in der Großstadt gewohnt hat. Er wird mit achtzehn
sofort wegziehen, nach München oder gleich London oder New York. Lilli stimmt
ihm völlig zu. Nur möchte sie am liebsten jetzt schon in München leben und mit
achtzehn endlich nach Kalifornien auswandern. Nun denn.
    Susa war mit ihren zwölf Jahren allerdings noch zufrieden hier, und
ich hatte mich auch eingewöhnt. So bummelten wir in gut gelaunter Zweisamkeit
durch die Einkaufsstraßen. Als Susanne unbedingt in einen Krusch-Kram-Laden
wollte, der mich nun wirklich nicht interessierte, trennten wir uns für eine
halbe Stunde. Ich ging einstweilen in den gegenüberliegenden Buchladen
schmökern.
    Ich liebe Buchhandlungen, kleine und große, ganz egal. Die vielen
Geschichten, Gedanken, Erfahrungen. Belebend. Glücklich pulte ich verschiedene
Bücher aus den Regalen, begutachtete den Einband, las die Intro. Entschied
schnell und spontan, ob ich zu Hause weiterlesen wollte oder nicht. Das Cover
musste mich ansprechen, sonst warf ich gar keinen Blick auf den Titel. War der
auch gefällig, nahm ich es neugierig zur Hand. Schon nach dem ersten Satz
wusste ich eigentlich, ob es sich lohnte, das Buch zu kaufen.
    Gerade stellte ich einen Frauenroman wieder an seinen Platz zurück,
weil der Anfang nicht das gehalten hatte, was Umschlag und Titel versprachen,
da bemerkte ich einen Tisch weiter Schwester Marion – in einem für mich
verblüffend ungewohnten Outfit: kurzes Kleidchen, das ihre hübschen Beine
zeigte, die durch die hochhackigen Schuhe noch betont wurden, offene Haarmähne
und deutlich geschminkt. Was für eine Verwandlung! Von der braven
Altenpflegerin zum sexy Weibchen. Wer hätte das gedacht?
    Einem Impuls nachgebend, trat ich zu ihr und tippte ihr auf die
Schulter. »Schwester Marion? Ich hätte Sie fast nicht erkannt!« Unsicher
lächelte ich sie an. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass sie selbst lieber
weiterhin unbemerkt geblieben wäre.
    »Oh, hallo, Frau Schneider. Auch bei einem Einkaufsbummel
unterwegs?« Freundlich war sie.
    »Ich weiß gar nicht, wie ich Sie ansprechen soll! Schwester Marion
kann ich ja hier schlecht sagen. Wie heißen Sie denn überhaupt mit Nachnamen?«
    »Bauer, Marion Bauer.« Wir gaben uns die Hand. Etwas unschlüssig,
wie das weitere Gespräch verlaufen sollte, standen wir nebenein-ander.
    »Sie haben also einen freien Nachmittag?« Wenn dir nichts einfällt,
sprich das Offensichtliche aus. Ich entschloss mich, spontan zu sein und die
Gelegenheit zu nützen. Vielleicht konnte ich etwas mehr über Elvira in
Erfahrung bringen. Bevor mich die Kühnheit verließ, plapperte ich schnell
weiter. »Schön, dass ich Sie treffe. Ich hätte da eine Frage.«
    Ich schaute ihr lieber nicht ins Gesicht. Ich hatte den unbestimmten
Eindruck, es zeigte Missfallen. Immerhin senkte ich meine Stimme: »Kann es
sein, dass Elvira Heimbewohner geschlagen hat?« Diplomatie war noch nie meine
Stärke.
    Schwester Marions Unmut war jetzt greifbar. »Wie kommen Sie denn
darauf, Frau Schneider? Das kann ich mir gar nicht vorstellen!«
    »Nun, vorstellen kann ich mir das durchaus. Und heute hat mir eine
Frau auch alte Hämatome gezeigt, die von einer Misshandlung stammen könnten.
Und sie meinte,

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