Unguad
das wäre Elvira gewesen.«
Schwester Marion war nun richtig ungehalten. »Wie heißt denn diese
Heimbewohnerin?«
»Das kann ich nicht sagen.«
»Wenn ich mich dazu äußern soll, muss ich schon wissen, wer das
behauptet hat.« Ihre sanften Augen schauten nicht mehr fürsorglich.
»Nun, ich kann es Ihnen nicht sagen, weil ich ihren Namen nicht
kenne. Aber selbst falls ich ihn wüsste, würde ich ihn jetzt nicht nennen. Sie
scheinen das ja für total abwegig zu halten.«
»Genau. In unserem Heim passiert das nicht. Dafür lege ich meine
Hand ins Feuer! Und ich hoffe nicht, dass Sie etwas anderes her-umerzählen.«
Sie funkelte mich aufgebracht an.
Das konnte ich auch. »Ich werde nichts herumerzählen. Aber fragen!
Das wird ja noch erlaubt sein.« Damit ließ ich sie einfach stehen und eilte aus
dem Geschäft.
Die Sonne blendete mich, und ich musste einen Gang
herunterschalten. Das war ja nicht gut! Nun hatte ich Schwester Marion gegen
mich aufgebracht. Unklug. Unklug.
Allerdings nicht mehr zu ändern. Vielleicht konnte ich es morgen
wieder hinbiegen. So ein Mist!
»Hallo, Mama!« Susanne hatte mich entdeckt und hakte sich bei mir
unter. »Gehen wir jetzt ein Eis essen?«
Wie gut, dass ich mich schon etwas abgekühlt hatte. Susa wollte ich
damit nicht behelligen. »Na klar. Komm. Hast du was Nettes gefunden?«
Sechzehn Uhr
Tibor von Markovics klopfte an die Tür von Béla Szabós Zimmer
und trat ein. Heute nahm er seinen Rollator zu Hilfe. Die letzte Zeit hatte ihn
angestrengt, und er war der Ansicht, dass es dem launischen Szabó besser
gefiel, wenn er nicht flink mit seinem schwarzen Stock unterwegs war. Das
könnte ihm dieser als Angeberei auslegen.
» Tibikém , komm herein, komm herein! Setz
dich. Magst einen Schnaps?« Schon war Béla zu seinem Sideboard gerollt, hatte
zwei Gläschen Slibowitz eingeschenkt und auf den Tisch gestellt. Der
obligatorische Begrüßungstrunk der beiden.
»Béla bácsi , wie geht es dir? Hast du den
gestrigen Tag gut verkraftet?«
»Das muss ich dich fragen. Schließlich war es deine Geburtstag, an
dem die Elvira gefunden ist. Ganz schöne – izé – schöne
Rummel hat das gemacht.«
»Ja. Ja. Da hast du wohl recht. Viele Polizisten waren hier. Hat
dich auch die nette Dame befragt?«
»Du meinst, die Blondine von die – izé –
von die Polizei? Nein, bis jetzt ich hatte noch nicht die Vergnügen. Aber ich
habe nichts dagegen, wenn sie mir so richtig in die Mangel nimmt. Noh?!« Béla
Szabó rieb sich seine dicke Nase.
»Béla, Béla.« Tibor hob tadelnd seinen Zeigefinger. »Zugegeben, sie
ist attraktiv. In unserem Alter allerdings denken wir doch nicht mehr an diese
Dinge!«
»Du vielleicht nicht, Tibikém , du nicht.
Aber ich denke schon noh daran.« Plötzlich war seine gute Laune verschwunden.
Denn ganz wahrheitsgemäß war diese Angeberei nicht. In letzter Zeit fehlten ihm
jegliche Gefühle in dieser Richtung. Darüber hinaus war ihm vor zwei Wochen ein
Katheter verpasst worden, der ihn über alle Maßen störte.
Er räusperte sich verärgert. »Noh, wollen wir eine Partie Schach
spielen? Mal schaun, ob du mit neunzig noch kannst!«
Tibor war froh, dass diese seltsame Unterhaltung ein Ende hatte.
»Ich nehme Weiß.«
Zwanzig Uhr fünfzehn
In der ganzen Aufregung hätte ich beinahe meinen Fortbildungstermin
vergessen!
Neben Haushalt, Familie und Elternbetreuung arbeite ich auch noch
als psychologische Beraterin. Im Nebenberuf sozusagen. Ich habe mir im
Untergeschoss unseres Hauses einen kleinen Praxisraum eingerichtet. Ein weißer
Schreibtisch, Korbsessel mit bequemen Kissen, orangefarbene Vorhänge und ein
großes buntes Gemälde von meiner Künstlerfreundin Isabell. Es ist genug Platz,
um mit einer überschaubaren Gruppe Meditationen und Entspannungsübungen
abzuhalten. Ich könnte nicht sagen, dass mein Geschäft boomt. Dafür sind die
Menschen in Niederbayern viel zu bodenständig. Für die meisten löst der
Hausarzt ihre Probleme und für das Spirituelle ist der Pfarrer zuständig. Auch
hat man Angst, gesehen zu werden. Dass dann die Leute reden. Deshalb kommen
meine Klienten vorwiegend von außerhalb.
Aber mir macht es Freude, Menschen zu helfen. Außerdem interessiere
ich mich für Psychotherapien aller Art. Da gibt es für jeden Geschmack etwas.
Im Monat vor Elviras Tod hatte ich zum Beispiel ein Seminar begonnen, das
»Schamanische Traumreisen« hieß. Zuerst hatte ich ja Vorbehalte. »Schamanismus«
hatte sich für mich nach Hexerei
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