Unguad
Hunger und hetzte zurück an die Arbeit. Aber
als ich wegen meiner politischen und detektivischen Aktivitäten keine Zeit (und
Lust) mehr hatte, in der gewünschten Weise zu funktionieren, erinnerte er sich
daran, dass es im Krankenhaus eigentlich eine ganz passable Kantine gab. Zu
meiner großen Entlastung und Erleichterung. Jetzt kam er nur in Ausnahmefällen
nach Hause. So also heute.
Ich hatte den Salat gerade fertig und konnte mit einem Mahl
aufwarten. Im Sommer aßen wir oft nicht mehr zu Mittag. Alles bestens.
Da die Kinder noch nicht heimgekommen waren, unterhielten wir uns
über den Mord. Ich konnte mir nicht verkneifen, ihm ein »Das hab ich ja gleich
gesagt!« um die Ohren zu hauen. Er zuckte mit den Schultern. Dann erzählte ich
ihm von meinen Begegnungen mit Schwester Marion in Passau und heute im Heim.
Gestern hatten wir gar nicht mehr miteinander reden können, da er so spät von
seinem Treffen mit dem Lions-Club zurückgekommen war.
»Irgendetwas ist komisch mit ihr. Sie hat ihr Verhalten mir
gegenüber geändert. Nicht erst seitdem der Mord passiert ist. Ich habe darüber
nachgedacht. Schon seit ein paar Wochen ist sie so seltsam.«
Martin kaute an einem Bissen Salat. »Aber du hast dich doch immer so
positiv über sie geäußert. Meinst du nicht, dass du dir das nur einbildest?«
»Stopp!« Ich hielt ihm meine ausgestreckte Hand vors Gesicht, sodass
er nicht weiteressen konnte und mir zuhören musste. Männer können nämlich nur
eine Sache auf einmal machen. Sie sind keine Multitasker.
»Wir hatten vereinbart, dass du diesen Satz nie mehr, ich
wiederhole: nie mehr zu mir sagst!« Damit hatte letztes Jahr der ganze
Schlamassel angefangen, und dies hatten wir als Lehre daraus gezogen.
»Oh, ja. Okay.« Etwas schuldbewusst schaute er drein, mein Ehemann.
Es sei ihm verziehen. »Ich versuche es anders zu formulieren: Es ist für mich – du merkst, Ich-Botschaft!«, ich akzeptierte es
gnädig, »nicht nachvollziehbar, was du seit Neuestem gegen sie hast. Sie macht
doch nur ihre Arbeit.«
Ich schnaufte. »Mag sein. Früher hielt ich sie für den Engel des
Altersheimes. Die Seele der Station. Mit dem Herzen bei ihren Schützlingen.
Jetzt aber kommt sie mir so … so … seltsam vor. – Ich habe gesehen, dass du
deine Augen verdreht hast, Martin! – Ich kann es auch nicht besser beschreiben.
Fast scheint sie etwas auf dem Kerbholz zu haben. Oder … sie hat ein schlechtes
Gewissen, wenn sie mich sieht. Irgendwie so was!«
»Ach, das bildest du … Ich meine, lass es gut sein. Vielleicht hat
Schwester Marion privat Probleme. Oder sonst irgendetwas. Ist doch im Grunde
egal.«
Ich sah ihn kritisch an. So schnell wollte ich das Thema nicht
fallen lassen. »Außerdem ist sie wahrscheinlich gar nicht so harmlos und nett,
wie sie immer im Sonnenhügel tut.« Bevor mein Mann dazu etwas sagen konnte,
redete ich schon weiter. »Gestern in Passau hab ich eine ganz andere Schwester
Marion gesehen. Im kurzen Kleid und hohen Schuhen. Ganz schön viel Bein hat sie
gezeigt. Und ziemlich stark geschminkt war sie auch noch. Wie auf Männerfang.«
Das letzte Wort hatte ich Martin provokant hingeschleudert.
Er hatte zu kauen aufgehört und blickte mich indigniert an.
»Männerfang? Karin, also wirklich! Du redest schon wie ein erzkatholisches
altes Weib. Warst du nicht mal Feministin? Es ist doch egal, wie sich Schwester
Marion in ihrer Freizeit kleidet.«
»Nicht, wenn es mit dem Fall zusammenhängt!«
»Karin, du solltest dich da wirklich heraushalten.« Jetzt hob er die
Hand, da ich widersprechen wollte. »Ja, ja, ich weiß, du hast Elvira gefunden.
Aber das ist auch schon alles. Das bedeutet nicht, dass du für die Aufklärung
des Falles zuständig bist. Überlass das der Polizei! Die Kommissarin wird nicht
begeistert sein, wenn du dich in die Ermittlungen einmischst.«
Damit hatte er leider ins Schwarze getroffen. »Ja, ich hatte heute
schon ein Gespräch mit ihr«, gab ich zu. In einer stark komprimierten Version
erzählte ich von der Gardinenpredigt, um danach zu etwas viel Interessanterem
zu kommen: dem unglaublichen Zufall, dass wir gemeinsam in Haidhausen gewohnt
hatten, wenn auch nur für kurze Zeit.
»Dann lad sie doch mal zu uns zum Essen ein«, schlug Martin vor.
»Hab ich ja. Sie will uns jedoch erst besuchen, wenn dieser Fall
abgeschlossen ist. Damit sie nicht bei der Mörderin speist.«
»Das hat sie gesagt?«
»Nicht wörtlich. Aber gemeint hat sie’s schon so. Nun, das ist noch
ein
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