Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unguad

Unguad

Titel: Unguad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Werner
Vom Netzwerk:
zu.«
    »Also, ich habe gesehen, dass der Hecker der Elvira wieder einen
Zettel zugesteckt hat. Sie war danach echt geladen und hat ihn angezischt, dass
sie mit ihm reden muss. Dann haben zwei Bewohner gleichzeitig geklingelt und
sie sind auseinander. Ich bin zur Frau von Hohenstein. Die hat mal wieder ihren
Schmuck nicht gefunden und einen ungeheuren Aufstand gemacht. Da hab ich nichts
mehr von den anderen mitgekriegt.«
    »Haben Sie das der Polizei erzählt?«
    Kerstin schüttelte den Kopf. »Warum auch?« Ihrer Meinung nach hatte
sie alles gesagt. In diesem Moment rief Schwester Marion, die uns beide
zusammen stehen gesehen hatte: »Kerstin, hast du keine Arbeit mehr? Dann melde
dich bei mir!«
    »Doch, doch, Marion. Ich muss Frau Baumann anziehen.« Beflissen
drückte sie die Klinke nach unten und verschwand nach einem verschwörerischen
Blick zu mir in dem Zimmer.
    Ich schaute Schwester Marion an. Sie starrte zurück. Aber wir
wollten beide keine weitere Konfrontation. Also drehte sie sich um und begann,
die Medizin auszuteilen.
    Schon wieder Mittagessenszeit. Ich würde nach Hause gehen. Meine
Kinder würden bald hungrig heimkommen. Und ich hatte genug, über das ich
nachdenken musste.
    Elf Uhr fünfundfünfzig
    »Wofür ist denn diese Tablette, ápolonö ?«
    Schwester Marion war fast wieder aus der Tür. Sie drehte sich jedoch
noch einmal um und kam einen Schritt ins Zimmer.
    »Die bekommen Sie schon länger, Herr Szabó.«
    »Und Sie sagen mir nie, wofür die ist. Also?« Dieses Mal ließ sich
Herr Szabó nicht davon abbringen.
    Schwester Marion zögerte, wenn auch nur einen kleinen Moment. »Für
Ihren Magen.«
    »Aber die hier ist für meine Magen. Die kleine Weiße. Das weiß ich.«
    »Und die ist neu, die hat Ihnen der Arzt ebenfalls verschrieben.«
    »Noh?« Herr Szabó war nicht überzeugt.
    Schwester Marion wollte das Gespräch nicht weiter ausdehnen und
wandte sich ab. Gerade zog sie die Tür hinter sich zu, da hörte sie ein leises:
»Da muss ich ihn mal fragen.« Sie verharrte, nur eine Sekunde, dann schloss sie
die Tür.
    Elf Uhr sechsundfünfzig
    Auf meinem Weg nach draußen kam ich am Büro der Imhoff vorbei,
das jetzt von der Polizei okkupiert wurde. Ob die Kommissarin darinsaß? Sollte
ich hineinschauen und ihr von meinem Bluterguss-Fund bei Frau Baumann
berichten? Irgendetwas hielt mich ab. Vielleicht war ich wegen ihrer
München-Nachbarschafts-Abfuhr noch etwas verschnupft. Da öffnete sich die Tür,
Kommissar Braun kam heraus. Frau Kommissarin Langenscheidt rief ihm etwas
hinterher, und er drehte sich nochmals um. Ich sah zu, dass ich Land gewann und
eilte durch die Eingangshalle Richtung Tür.
    Wie immer saßen dort sechs Seniorinnen. In trauter Einmütigkeit
hatten sie es sich auf ihren Stühlen bequem gemacht und beobachteten die
Passanten. Auf einem Tischchen in ihrer Mitte standen eine Karaffe mit
Apfelschorle und Gläser bereit. Eine von ihnen war passionierte Strickerin und
arbeitete heute an einem braunen Socken. Die anderen hatten ihre Hände in den
Schoß gelegt. Sie redeten nicht viel miteinander. Hatten sich anscheinend schon
alles aus ihrem Leben erzählt. Wenn allerdings jemand vorüberkam, wurde das im
Nachhinein kommentiert. Seit hier die Polizei ein und aus ging, war es
natürlich noch spannender als sonst.
    Respektloserweise musste ich bei ihrem Anblick immer an einen in die
Jahre gekommenen Zerberus denken. Zwar bissen sie sich – anders als in der
Mythologie – nicht an den Scheidenden fest und wollten ihn zurückzerren. Ich
hielt sie wirklich für nette alte Damen. Ungesehen kam jedoch trotzdem niemand
an ihnen vorbei. Ich grüßte sie mit lauter Stimme, damit mich auch alle hörten
und mir gewogen blieben, und zog an der schweren Tür.
    Draußen eilte in diesem Augenblick Heidemarie Wieland heran, so
hielt ich sie ihr auf. Frau Wieland hatte sich flott zurechtgemacht mit ihrem
schwingenden Faltenrock und dem dazu passenden geblümten Seidentuch um den
Hals. Wir begrüßten uns freundlich. Diese Frau war wirklich selbstlos. Immer
kam sie ins Heim, um alten Leuten etwas vorzulesen. Sie machte das mindestens
zweimal die Woche, hatte ich gehört. Da sammelte sie mächtig viele Punkte für
ihr gutes Karma.
    Zwölf Uhr zwanzig
    Martin war mal wieder zum Mittagessen zu Hause. Seit den
Ereignissen im letzten Jahr hatte er seine Gewohnheiten umgestellt. Früher kam
er immer Viertel nach zwölf angesaust, wollte pünktlich sein Essen auf dem
Tisch vorfinden, stillte seinen

Weitere Kostenlose Bücher