Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unguad

Unguad

Titel: Unguad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Werner
Vom Netzwerk:
Kerstin telefonierte. Sie hatte ihre molligen Beine ganz ungeniert
auf den Tisch gelegt, in der einen Hand ihr Handy, in der anderen einen
Schokoriegel, von dem sie immer wieder genüsslich abbiss.
    »Ich hab auch keine Ahnung, Bianca. Die Imhoff ist halt eine
Gewitterziege. Scher dich nicht darum.
    Was?
    Nein, die Ildiko hat Dienst. Der Adam nicht. Glück gehabt. Seit die
Elvira tot ist, ist er noch seltsamer als sonst. Ja, ja. Haha. Nein, mir ist es
nicht unheimlich, Nachtdienst zu schieben. Vielen Dank. Die Elvira ist ja auch
vormittags umgekommen. Können wir jetzt von etwas anderem reden? Ja, was machst
du heute?«
    Da erfahre ich nichts Interessantes, dachte sich Tibor und drehte
sich um. Er wagte es nicht, an dem Glaskasten vorbeizuzuckeln, denn bei seiner
Geschwindigkeit würde ihn selbst die telefonierende Kerstin bemerken. Und auf
Erklärungen hatte er keine Lust. Also in die andere Richtung.
    Mit kleinen Schritten an seinem Wohnzimmer vorbei. Schmalzige Musik
drang bis in den Flur. Der Film war in vollem Gange. Er hatte noch Zeit.
    Dort war Bélas Zimmer. Dann das von Frau Moser. Jetzt kam der
Abstellraum. Nicht mehr versiegelt und verschlossen. Tibor drückte langsam die
Klinke hinunter und spähte hinein. War da nicht eben ein Lichtstrahl gewesen?
Vielleicht hatte er sich getäuscht. Nun drängte ihm jedenfalls tiefe Dunkelheit
entgegen. Ohne Licht zu machen, schob er sich durch den Türspalt, schloss leise
die Tür hinter sich. Die Schwärze umfing ihn. Und ein Geruch, den er nur zu gut
kannte. Alter Zigarettenrauch. An diesem Ort wurde also auch jener Sucht
gefrönt. Er lehnte sich an die geschlossene Tür, die Augen fielen ihm
automatisch zu. »Wonach riecht es hier außerdem noch?«, murmelte er.
    Elvira war an ihrem letzten Tag in dieser Kammer gewesen. Warum? Nur
um etwas zu holen oder weshalb sonst? Hatte sie geraucht? Er wusste es nicht.
Oder doch? Ja, sie hatte oft unangenehm gerochen. Er hatte es vermieden, ihre
Ausdünstung einzuatmen. Er hatte sie nicht gemocht. Wollte so wenig wie möglich
mit ihr zu tun haben. Es konnte jedoch sein, dass sie auch nach Rauch gestunken
hatte. Ihr Odeur war so widerlich säuerlich gewesen. Ungewaschen, da war er
sich sicher. Kleider von gestern oder vorgestern oder von noch länger her. Sie
schien nur eine Hose zu besitzen, die sie immer trug und deren Hosenbeine an
ihren mehr als strammen Waden spannten.
    Aber was schwang außerdem durch den Raum? Irgendetwas lag hinter dem
offensichtlichen, alten Rauchgestank. Was war es? Wollust? Hecker und sie
hatten ein Verhältnis. Doch wohl nicht hier, oder? Was könnte es sonst sein?
Angst? Er spürte eine fast greifbare Körperlichkeit.
    »Was macht man in dieser Kammer?« Diese Frage sprach er undeutlich
vor sich hin. Er konnte besser nachdenken, wenn er dabei Selbstgespräche
führte. »Außer Blumenvasen zu horten und Wäsche zu stapeln?« Er kam nicht
darauf.
    »Vielleicht sollte ich das Licht aufdrehen.« Er wandte sich zur Wand
um. Den Gehstock in der Linken, streckte er die Rechte aus, um nach dem
Schalter zu tasten. Aus dem Nichts ein Geräusch. Der Luftzug einer schnellen
Bewegung. Völlig unvorbereitet stießen ihn Hände heftig zur Seite.
    »Ah!« Von Markovics stolperte, ließ seinen Stock fallen und riss
instinktiv die Arme nach vorn, um sich abzufangen. Er taumelte gegen den
Schrank und schlug mit der Schulter hart auf das Holz. Voll Schmerz stöhnte er
auf. Hinter ihm schlitterte jemand an die Tür. Anscheinend war der andere mit
dem Fuß auf Tibors Gehstock geraten und ausgerutscht.
    Der Stock wurde weggekickt. »Fuck!« Mit lautem Getöse krachte er in
ein Regal. Die Tür wurde aufgerissen. Ein Schwall Licht schoss in die
Dunkelheit der Abstellkammer. Sein Angreifer rannte hinaus. Der Alte hatte
nicht viel erkannt. Dazu war alles zu fix gegangen. Ein Husch und der Mann war
draußen gewesen. Trotzdem blieb die Ahnung, dass es sich wohl eher um einen
jungen Kerl gehandelt hatte. Das hatte von Markovics mehr an den Bewegungen
abgelesen, als dass er es an Einzelheiten hätte festmachen können. Obwohl. Der
Typ hatte eine von diesen bunten Kappen auf dem Kopf, die die Jugendlichen
heutzutage trugen. Er lief davon. Tibor hörte deutlich das Quietschen der
Turnschuhe auf dem Linoleumboden, das schnell leiser wurde.
    »Hallo! Ist da wer?« Der ungewohnte Krach hatte Kerstin
aufgeschreckt. Das Handy noch in der Hand stand sie vorn beim Schwesternzimmer
im Gang und versuchte zu erkennen, was geschehen war. Die

Weitere Kostenlose Bücher