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Unguad

Unguad

Titel: Unguad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Werner
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bald eine
Sohnesfreundin ins Haus. Na, das wäre ja eine gute Nachricht.
    »Hey, lass mich!« Vermutlich hatte er sie erwischt. Ein lauter
Türenknall, das Geräusch eines sich umdrehenden Schlüssels. Unmittelbar danach
schlug die zweite Tür zu.
    »Wie oft muss ich euch noch sagen, dass ihr nicht mit den Türen
knallen sollt!« Das war Martin. Er stieg die Treppe hinab.
    Lilli kam wieder auf das vorherige Thema zurück. »Jedenfalls. Völlig
abgefahren ist, dass sie Altenpflegerin lernen möchte! Gib dir das. Sich jeden
Tag um die alten Leute kümmern. Bei Oma und Opa ist es ja okay. Aber die
anderen! Die im Rollstuhl, die nicht mal mehr allein aufs Klo können. Was man da
alles machen muss! Ekelig!« Sie und Vicky schüttelten sich in übereinstimmendem
Gruseln.
    »Umso lobenswerter ist es, wenn sich ein junges Mädchen für diesen
Beruf entscheidet.« Martin kam frisch geduscht und chic mit türkisem
Button-down-Hemd bekleidet zur Tür herein. Anscheinend hatte er die letzten
Sätze noch auf der Treppe gehört.
    Ich traute meinen Augen nicht. »Wo gehst du denn hin? Hab ich was
verpasst?«
    Er nahm Geldbeutel, Handy und Schlüssel von der Anrichte und
murmelte beiläufig: »Leopold hat angerufen. Wir gehen ins Brauhaus auf ein
Zwickel.«
    »Und ich?« Es kam mir mehr als seltsam vor, dass er neuerdings am
Samstagabend alleine wegging.
    Martin sah mich an. »Du kannst natürlich mitkommen. Allerdings
dachte ich, die Männergespräche über Fußball und Angeln interessieren dich eh
nicht. Oder? Claudia ist auch nicht dabei.«
    Ich war ehrlich gesagt zu perplex, um darauf angemessen zu
reagieren. Er schien es sich ja schön zurechtgelegt zu haben, mich einfach zu
Hause zu lassen.
    Meine Mädels registrierten die Stimmung und schlugen sich auf meine
Seite: »Hey, Papa, das kannst du doch nicht machen! Heute ist Samstag. Geht
zusammen aus! Zum Tanzen oder so.« Sie hatten immer noch das Bild eines
glücklich verheirateten Ehepaares aus den Fünfzigern als Ideal.
    »Lasst mal, Kinder. Ich muss sowieso den Garten gießen. Viel Spaß,
Ehemann.« Solange du noch mein Ehemann bist, setzte ich in Gedanken dazu.
    Ich wollte ja eine »kluge« Ehefrau sein. Deshalb ließ ich ihn jetzt
ziehen und widmete mich angelegentlich meinem Schnittlauchbrot. Aus den
Augenwinkeln sah ich, dass er mich misstrauisch anblickte. Er verabschiedete
sich mit einem »Bis später« in die Runde und ging.
    Die Kinder schauten mich kritisch an. Als ich aber nichts weiter
dazu sagte, zuckten sie mit den Schultern und nahmen die Schilderung ihrer
Schwimmbaderlebnisse wieder auf. Ich muss gestehen, ich hörte ihnen nicht mehr
zu. Schob abwesend die Krümel auf dem Tisch zusammen und versuchte zu
verstehen, welche Geheimnisse mein Mann vor mir hatte.
    Als ich wenig später tatsächlich meine Blumen mit ihrer täglichen
Wasserration versorgte, kam Linus zu mir. Er lehnte sich an den Kirschbaum und
pflückte sich einige der unglaublich saftigen tiefroten Früchte. Mit diesem
Baum hatten wir einen Glücksgriff getan. Ich schaute flüchtig zu meinem Sohn
und dachte mir, wie so oft in letzter Zeit, dass er schon ziemlich männlich
aussah. Seine braunen Locken waren für meine Begriffe zu lang, gaben ihm aber
den gewollten verwegenen Surfer-Touch. Seine Leidenschaft für Sport hatte seinem
Jungenkörper ansehnliche Muskeln und einen bronzefarbenen Teint beschert. Ihm
flogen bestimmt viele Mädchenherzen zu. Wenn er sich jetzt für Anna entschieden
hatte, sollte es mir recht sein. War ein nettes Mädchen. Allerdings würde ich
den Teufel tun und ihn darauf ansprechen.
    Er spuckte den Kirschkern weit in die Rosenbeete, und ich
verzichtete auf die übliche tadelnde Bemerkung. Irgendetwas wollte er mir doch
wohl sagen, sonst würde er hier nicht so herumstehen. Aber er schob sich nur
die zweite Kirsche in den Mund.
    Als ich mit dem Schlauch kämpfte und zum nächsten Beet ziehen
wollte, sprach er endlich.
    »Du weißt schon, Mum, dass es eine Handyortung gibt?«
    »Was?« Jetzt hatte er mich wirklich aus der Fassung gebracht.
    »Na, man kann mit einem einfachen Programm völlig leicht
herausfinden, wo welches Handy gerade ist. Ist ganz easy.«
    »Und warum soll mich das interessieren?«
    »Ich dachte nur. Vielleicht willst du wissen, wo dein Mann ist.« Er
kickte mit seinem Fuß einen Stein in die Büsche.
    Wie sollte ich darauf reagieren? Er schien alt genug zu sein, die
Situation richtig zu erfassen. Aber war er auch alt genug, mit den

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