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Unguad

Unguad

Titel: Unguad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Werner
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Konsequenzen
zurechtzukommen? Ich glaubte nicht.
    »Wenn ich das mal brauchen sollte, werde ich mich an dich wenden.«
Ich versuchte ein freches Grinsen, obwohl mir wirklich nicht danach war.
Deshalb ging es ziemlich daneben. »Für heute weiß ich jedoch, wo Martin ist. Im
Brauhaus. Das genügt.« Bedächtiger als nötig zog ich den Schlauch ein Stück
weiter und ließ das Wasser um mein Gemüse plätschern. Ich spürte, dass Linus
mich ansah. Wahrscheinlich war er mit meiner Reaktion nicht zufrieden, enthielt
sich allerdings jeder weiteren Äußerung und drückte sich vom Baum ab.
    »Ich geh noch ins Sapperlot.« Sagte es und verschwand.
    »Aber komm nicht zu spät heim«, rief ich ihm hinterher.
    Nach einer halben Stunde, ich stand gerade in meinem Gewächshaus und
brach von den Tomatenpflanzen die Nebentriebe ab, fand mich Lilli. Heute schien
ein Kinder-sprechen-heimlich-mit-Mutter-Abend zu sein. Ich schaute auf, schenkte
ihr ein Willkommenslächeln und arbeitete weiter. Nach meiner Erfahrung löste
dieses Vorgehen am schnellsten die Zunge. Und tatsächlich:
    »Die Anna arbeitet doch jetzt im Heim.« Lilli tastete sich heran.
    »Mhm.« Ich wandte mich der nächsten Staude zu.
    »Und es gefällt ihr wirklich sehr gut.« Meine Tochter scharrte mit
ihrem Schuh im Kies.
    »Das ist schön.«
    »Ja«, sie holte tief Luft, »aber weniger schön ist, dass sie Angst
hat.«
    Ich richtete mich auf. »Vor was denn?«
    »Vor dem einen Typen auf Station zwölf. Hecker, glaub ich, heißt
der.«
    »Vor dem Hecker?« Mir schwante nichts Gutes.
    »Ja. Der hat sie mal angemacht.« Sie sprach schnell weiter. »Es ist
nicht wirklich was passiert. Allerdings hat er den Arm um sie gelegt und war so
schmierig. Hat sie wohl auch betatscht. Ein bisschen.«
    Ich schnaufte auf. »Ein bisschen Betatschen gibt es nicht. Da ist
alles schon zu viel!« Mann, war ich wütend!
    »Ja, ich weiß. Die Anna will da aber nichts machen.« Meine Tochter
kannte mich gut und wollte mir gleich den Wind aus den Segeln nehmen. »Sie hat
mir das auch ganz im Vertrauen gesagt, und ich soll es keinem weitersagen.
Also, tu um Himmels willen nichts!« Sie schaute mich flehentlich an.
    Ich überlegte. »Das ist jetzt allerdings eine blöde Situation,
Lilli. Nun weiß ich es, und wie meinst du, soll ich mit dieser Information
umgehen?«
    »Keine Ahnung.« Sie blickte niedergeschlagen zu Boden. »Aber ich
musste es dir erzählen. Ich finde es so grauenhaft. Die arme An-na!«
    Ich nahm meine liebe Tochter in die Arme. Und die Sache musste ihr
wirklich nahe gehen, denn sie ließ es geschehen. Während ich ihr beruhigend
über den Rücken streichelte, sagte ich: »Wenn du die Anna das nächste Mal
siehst, sag ihr, dass sie sich nichts gefallen lassen muss. Falls so etwas noch
einmal passiert, soll sie gleich mit einer Schwester sprechen. Die wird ihr
helfen.« Hoffentlich, dachte ich bei mir.
    Lilli schien erleichtert. »Und du sagst nichts, gell? Versprochen!«
    »Nein, ich sage nichts.« Vielleicht, wir würden sehen. Mit diesem
Hecker würde ich bestimmt noch mal ein Hühnchen rupfen.
    Zwanzig Uhr siebenunddreißig
    Vor dem Sapperlot, dem Jugendtreff von Kirchmünster, stellte
Linus sein Fahrrad ab. Anhand der anderen Räder und Mofas erkannte er, dass
seine Kumpels bereits da waren. Mit einem Satz nahm er die wenigen Stufen vor
dem Eingang. Die Tür war nur angelehnt, sein Schwung ließ sie nach innen
auffliegen. Der Griff knallte gegen die mit Graffiti besprühte Wand und schlug
das schon vorhandene Loch noch tiefer. Linus guckte in das kleine Büro der
Selbstverwaltung. Bloß die Sozialarbeiterin mit ein paar Mädels. In der Küche
war ausnahmsweise niemand. Drei Youngsters spielten im großen Raum Kicker. In
den Keller musste er nicht schauen. Da unten war freitags Disco, heute lagen
höchstens leere Flaschen herum. Also sprang er die Treppenstufen nach oben und
ging geradewegs auf die Dachterrasse des kleinen Häuschens. Dort saßen seine
Kumpels Julian, Dennis und Tobias. Die Füße hatten sie selbstverständlich auf
der niedrigen Mauer abgelegt. Gesprächsthema war der Polizeieinsatz in Fad.
    »Mann, war das krass! Dieser Köter hat voll gesabbert, wie er den
Beutel mit dem Hasch unter dem Schrank gefunden hat.«
    »Warst auch dort?« Linus lehnte sich an die Brüstung. Da war er ja
gerade recht gekommen.
    »Jo! Wer denkt denn, dass die Bullen gleich mit ‘ner Hundertschaft
antanzen und so ‘nem beschissenen Drogenhund!« Tobias zog an seiner

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